Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
zitternd mit einem Besenstiel bewaffnet. Als der Briefträger versucht hatte, die Weihnachtspost in den Briefkasten zu werfen, hatte sie die Klappe mit aller Kraft zurückgedrückt. Als Cubby aus seinem Wohnwagen gestiegen war, sah er den armen Mann, wie er vor Schmerzen gekrümmt durch den Garten taumelte.
»Die Quitten werden auch allmählich reif«, sagte Cubby jetzt in sehr bestimmtem Ton. »Soll ich Zitronen-Quitten-Gelee kochen?«
Dieser Ablenkungsversuch war vergeblich, wie er es auch erwartet hatte. Wenn man versuchte, Elfrida zu beeinflussen, war es als redete man in einer völlig fremden Sprache auf sie ein. Sie hörte zwar, daß man lauter als gewöhnlich sprach (sofern ihr Hörgerät überhaupt angeschaltet war) und bemerkte, daß man eine entschlossene Haltung angenommen hatte. Aber sie verstand einfach nicht, was man für ein Problem hatte.
»Dieses ganze Gerede über Gelee ist doch jetzt völlig belanglos«, sagte Elfrida. »Wir müssen uns überlegen, was wir im Fall Simone unternehmen sollen.«
»Ich sehe keinen Grund, weshalb wir uns da einmischen sollten.«
»Unsinn! Beweis mal deinen Grips, Dawlish.«
»Was meinst du denn, was wir tun sollten?« fragte Cubby, dem bereits vor der Antwort graute.
»Das ist doch sonnenklar.«
»Das hatte ich befürchtet.« Er stellte seufzend seinen Becher ab. »Na schön. Ich fahr mit dem Rad nach Ferne Bassett und...«
»Doch nicht nach Ferne Bassett!« rief Elfrida. »Ferne Bassett, die sind doch kleine Fische. Wir haben es hier mit größter Wahrscheinlichkeit mit einem schweren Verbrechen zu tun. Hör auf meine Worte, der Mann hat seine Frau umgebracht. Und bei so einem üblen Vergehen hat es keinen Sinn, sich mit dem gemeinen Fußvolk abzugeben. Wir brauchen nicht die Jungs vom Dorf. Wir brauchen die hohen Tiere.«
»Aber Elfi...«
»Marsch ans Telefon. Dawlish. Bestell mir eine Droschke.«
Als sie das Taxi anhalten hörte, fing Brenda Brockleys Herz an zu hämmern. Ohne die mißbilligenden Blicke ihrer Eltern zu beachten, lief sie ans Fenster, um zu sehen, was los war. Dann rannte sie schnurstracks die Treppe hinauf, um jede Diskussion oder Vorhaltung über ihr merkwürdiges Verhalten zu vermeiden.
Sie schloß die Tür auf und ging zu ihrem hübschen kleinen Schreibtisch, der in dem breiten Erkerfenster stand. Auch der Stuhl, auf den sie sich jetzt setzte, war sehr hübsch. Er hatte eine lange, schmale Lehne aus zwei senkrechten Holmen und einer Querstrebe mit eingelegtem Perlmutt. Ein bernsteinfarbenes, mit silbernen bourbonischen Lilien gemustertes Seidenkissen war mit schmalen Samtbändern auf den Sitz gebunden. Auf dem Sims ihr gegenüber stand eine Vase mit dunkelroten Nelken.
Diese beiden Möbelstücke hoben sich bewußt von allen anderen Gegenständen im Zimmer ab. Nicht daß Brenda die anderen Dinge langweilig oder geschmacklos fand - obwohl sie das waren -, aber ihr war bewußt, daß sie absolut nicht in die Szene paßten, in der sie ihren großen Traum ausleben durfte.
Sie nahm einen winzigen goldenen Schlüssel aus einem Muschelkästchen, schloß den Schreibtisch auf und schob das Holzrollo nach oben. Aus dem Schreibtisch nahm sie ein großes, in Chagrinleder gebundenes Buch mit der Aufschrift Tagebuch, dessen unlinierte cremefarbene Blätter leicht vergilbt waren. Auf der Rückseite des vorderen Deckels klebte mit Tesafilm befestigt ein Foto von Alan Hollingsworth, das sie im vergangenen Frühjahr ergattert hatte.
An einem Sonntagnachmittag, als Reg und Iris gerade im nächstgelegenen Gartencenter waren, um eine Ladung Kunstdünger zu kaufen, hatte Brenda, ermutigt durch ein großes Glas süßen Sherry, die Zeile von Lärchen durchschritten, die ihre Grundstücke voneinander trennte, und war zu den Hollingsworths gegangen. Mit der Erklärung, sie hätte noch eine Aufnahme übrig und Shona wäre zu keinem Foto zu bewegen, hatte sie die Hollingsworths gefragt, ob sie eine Aufnahme von ihnen machen dürfte. Sie waren zwar überrascht gewesen, hatten aber nichts dagegen gehabt.
Brenda hatte den Sucher sorgfältig eingestellt, um genau den Ausschnitt zu bekommen, den sie wollte. Ein exaktes Porträt von Alan ohne jede Spur von Simone.
Brenda hätte das Foto gern eingerahmt. Es hätte eine dieser schönen silbernen Rahmen verdient, wie es sie in Antiquitätenläden gab - mit fließenden Akanthusblättern und Lilienarabesken. Doch sie hatte Angst, daß sie eines
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