Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
aufgetaucht. Diese Gaben wurden freundlich und mit Dank entgegengenommen, dann fiel die Tür wieder vor seiner Nase zu.
Er hatte ein oder zwei Leuten ein paar diskrete Fragen über sie gestellt, doch wieder damit aufgehört, weil er fürchtete, sie könnte es erfahren. Jedenfalls hatte er nur sehr wenig herausgekriegt. Ihre Eltern hatten das Haus erst gekauft, als sie in Rente gingen. Sie war also nicht im Dorf aufgewachsen. Die Leute schienen sogar kaum mehr über sie zu wissen als er selbst.
Wenn sie seine Aufmerksamkeiten offenkundig übelgenommen hätte, wäre er natürlich nicht weiter vorgedrungen. Doch sie nahm seine Komplimente auf ihre spröde, distanzierte Art hin, und Gray vermutete, daß sie ihn irgendwie als kleine Abwechslung betrachtete.
Doch vor sechs Wochen hatte sich plötzlich alles geändert. Er hatte ihr eine kleine Schale mit Nieswurz-Samen vorbeigebracht, die ihr offensichtlich fehlten. Sie hatte die Schale lächelnd entgegengenommen und ihn hereingebeten. Er war etwa eine halbe Stunde geblieben. Ihr Verhalten war jedoch, wie Gray sich eingestehen mußte, sehr oberflächlich. Immerhin hatte er es über die Türschwelle geschafft. Das war die Hauptsache.
Bei jener Gelegenheit, wie auch bei den darauf folgenden, sprachen sie meist über banale Dinge. Gray, der selbst in guten Zeiten ein sprunghaftes Temperament hatte, wurde rasch entmutigt. Zwar sagte er sich, das sei erst der Anfang, doch er wurde das Gefühl nicht los, daß er auf der Stelle trat. Er versuchte, sie dazu zu bewegen, über sich oder über ihre Arbeit zu sprechen, doch ohne Erfolg. Einmal hatte er sie ganz mutig gefragt, ob sie schon mal verheiratet war. Zunächst folgte ein eisiges Schweigen. Schließlich hatte sie preisgegeben, sie habe mal ein oder zwei Jahre mit jemandem zusammengelebt, sei aber lieber für sich.
Sie wollte nicht mit ihm ausgehen. Trotz seiner desolaten finanziellen Situation hatte Gray sie zum Essen eingeladen, doch sein Angebot wurde abgelehnt, ebenso ein vorgeschlagener Besuch im Kino oder Theater. Ein- oder zweimal waren sie auf einen Drink im Goat and Whistle gewesen, aber die meiste Zeit saßen sie einfach bei ihr im Garten und unterhielten sich.
Auch an diesem Samstagmorgen redeten sie - wie konnte es anders sein? - über die Hollingsworths. Gray saß auf einem ziemlich ramponierten Sofa und nippte an einer kleinen Tasse bitteren japanischen Kaffees. Sarah sah auf ihre Uhr.
»Wenn man mich fragt,« sagte Gray, »meine Theorie ist, sie hat sich in ein Kloster zurückgezogen.«
»Simone?«
»Nachdem sie schließlich erkannt hat, wie trügerisch die Genüsse dieser sündigen Welt sind.«
»Das möcht ich erleben.«
»Bist du mal in deren Wohnzimmer gewesen?«
»Ja.«
»Der perfekte Rahmen für ein Luxusweibchen, würdest du nicht auch sagen?«
»Wie kommst du darauf, daß ich mich mit so was auskenne?« Sarah schüttelte ihre Uhr und hielt sie sich ans Ohr.
»Ich sehe Mrs. H. buchstäblich vor mir, wie sie - die Füße in goldenen Sandalen auf einem flauschigen rosa Schemel gestützt, einen Malibu mit Eis und einem kleinen Sonnenschirm auf ihrem Beistelltischchen - Schokoladentrüffel verzehrt, sich die Zehennägel lackiert und Jackie Collins liest.«
»In meinem Kurs hat sie sich nicht so geschickt angestellt.«
»Ein richtiges Zuckerpüppchen.«
»Was hattest du überhaupt in Nightingales verloren?« Sarah sammelte seine Tasse samt Unterteller ein, stapelte sie auf ihre und brachte alles in die Küche. »Dem Arsch die Milch liefern?«
»Wir waren befreundet. Nun ja, irgendwie.«
»Ich weiß, daß ihr Geschäftspartner wart.« Sie blieb in der Tür stehen und sah ihn merkwürdig an. Interessiert, neugierig, aber ohne jede Spur von Mitgefühl. »Es stand auf der...«
»Titelseite des Causton Echo.«
»Ganz recht.«
»Ich hab ihm vertraut.« Gray zuckte die Achseln. »Um so blöder von mir. Wenn’s um Geld geht, ist’s offenbar mit der Freundschaft aus.«
»Hast du ihn tatsächlich zusammengeschlagen?«
»Ja.«
»Und du hast alles verloren?«
»Nicht ganz. Ich hoffe noch auf meinen Anteil - ungefähr fünfzig Prozent nach meiner Schätzung. Und ich hab auch noch meine Schulden. Und meinen Hund - der ist bei mir geblieben. Also sehen wir es doch mal positiv.«
»Damit würde ich nicht so leicht fertig werden.«
»Ich werd vor Gericht den letzten Penny aus dem
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