Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
Boeuf bourguignon noch Himbeertorte gab. Das waren doch klassische französische Gerichte. Die durfte man doch wohl in einem französischen Bistro erwarten.
»Sie haben kein Steak au poivre, Tom.« Joyce lächelte ihn über den Tisch an. Sie hatte ihre hochhackigen Schuhe abgestreift und rieb sich die Füße an den Waden, um sie zu wärmen.
»Wie bitte?«
»Das haben wir damals gegessen«, erklärte Joyce den anderen. »Und Aprikosentorte.«
»Die gibt's immer noch«, sagte Cully.
Barnaby schwieg. Ihm wurde klar, dass die Idee mit diesem Restaurant, die von Nicolas stammte und die er so begeistert aufgegriffen hatte, ein Fehler gewesen war. Joyce hatte Recht gehabt zu zögern und er Unrecht, sie trotzdem zu überreden. In der Vergangenheit hatte man eben alles mit anderen Augen gesehen.
Er bestellte Zwiebelkuchen mit grünem Salat, Seebarbe in Fenchel gewickelt mit kleinen Kartoffeln und Erbsenschoten und als Nachtisch Apfel in Calvados. Joyce nahm das Gleiche.
Cully und Nicolas aßen Champignons ä la grecque, Schweinsfüße in Senfsauce mit Haricots verts und Pommes frites und als Nachtisch Birnen mit Creme Chantilly. Dazu tranken sie Muscadet und Bordeaux von Sandeman.
Erst als sie mit dem Hauptgericht fast fertig waren und das Gespräch praktisch zum Erliegen gekommen war, merkte Barnaby, warum. Cully und Nicolas redeten nicht über sich. Abgesehen von einigen artigen Bemerkungen über das Essen, der mehrmaligen Versicherung, wie sehr sie das alles genießen würden, und einigen höflichen Fragen von Cully an ihren Vater, wie es denn im Garten ginge, hatten sie fast nichts gesagt. Barnaby beschloss, die Dinge ein wenig anzutreiben.
»Also, Nicolas. Hast du schon was über mögliche Rollen erfahren?«
»Ja!«, rief Nicolas. »Ich werde den Dolabella in Anthony and Cleo spielen. Ziemlich mickrig. Ich komm erst im ...«
»Nico.« Cully starrte ihn wütend an.
»Mhm? Ach so ... tut mir Leid.«
»Was?«, sagte Barnaby und blickte von einem zum anderen. »Was geht hier vor?«
»Wir reden heute nicht über uns«, sagte Cully.
»Warum denn nicht?« Joyce starrte ihre Tochter verblüfft an.
»Weil heute euer besonderer Abend ist, von dir und von Dad.«
»Ganz genau«, sagte Nicolas etwas weniger bestimmt.
»Ihr seid doch verrückt«, sagte Joyce. »Wenn ich den ganzen Abend nur mit deinem Vater reden wollte, dann hätten wir doch gleich zu Hause bleiben können.«
»Hast du das gehört, Nicolas?«, fragte Barnaby. »Also leg mal los mit Dolabella.«
»Er studiert außerdem den Lepidus als zweite Besetzung ein.« Cullys Stimme wurde ganz lebhaft vor Begeisterung. »Eine viel größere Rolle mit einigen großartigen Zeilen.«
»Weißt du, was meine Lieblingszeile ist, Tom? Passt vielleicht ganz gut: >Es ist nicht die Zeit für Zwist der einzelnen.«<
Dieser etwas weit hergeholte Scherz kam trotzdem gut an. Cully lachte, Nicolas lachte. Joyce, die beim dritten großen Glas Muscadet war, lachte so sehr, dass sie einen Schluckauf bekam. Barnaby sah unter seiner ordentlich gebügelten Serviette diskret auf die Uhr.
Als sie ziemlich stark angeheitert mit dem Taxi nach Hause fuhren, dachte Barnaby darüber nach, warum der Tag so enttäuschend verlaufen war. Nicht dass der Tag etwas dafür könnte. Armer Tag. Hier war einfach eine stinknormale Zeitspanne mit völlig unrealistischen Erwartungen ausgestattet worden. Kein Wunder, dass diese nicht erfüllt werden konnten.
Barnaby seufzte und hörte seine holde Angetraute leise grummeln. Als er mit den Fingern um seinen steifen Kragen fuhr, um ihn ein wenig zu lockern, bemerkte er, dass Joyce ihre Schuhe ausgezogen hatte. Am liebsten hätte er ebenfalls die Schuhe ausgezogen. Und alles andere auch. Und dann hinein in die alte Gartenhose und einen bequemen Pullover. Doch es gab etwas, worauf er sich freuen konnte. Bald würde Sonntagmorgen sein, und da waren ihm Eier mit Speck zum Frühstück gestattet. Die anderen drei plauderten noch fröhlich miteinander.
Barnaby war erfreut, aber auch überrascht gewesen, als Joyce ihm eröffnete, Cully und Nicolas würden bei ihnen übernachten. Das hatten sie schon seit ein paar Jahren nicht mehr getan - das letzte Mal, als sie gerade ihre Wohnung gekündigt und ihre ganzen Sachen eingelagert hatten und sechs Wochen darauf warten mussten, dass die neue Wohnung frei wurde. Es war bereits nach Mitternacht, als das Taxi vor
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