Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
ausschweifende Phantasie.
»Was passiert ist, ist passiert«, fuhr Troy unbeirrt fort. Und fügte dann, damit auch wirklich kein Missverständnis möglich war, hinzu: »Je nä regrätte riejän.«
Sie gingen mittlerweile über den Dorfanger, vorbei an dem Schild mit dem recht phallischen Dachs, den Weizengarben, Kricketschlägern und gelbgrünen Chrysanthemen.
Barnaby bemerkte mehrere Hunde mit hellem, flauschigem Fell, die fröhlich umhersprangen, zum Glück weit genug entfernt, um jeglichen Austausch von Höflichkeiten mit ihrer Besitzerin unmöglich zu machen. Ein kleiner Terrier versuchte mitzuspielen und schlug sich ganz wacker. Die Besitzerinnen der Hunde gingen Arm in Arm, die Köpfe dicht beisammen, und unterhielten sich.
»Gucken Sie mal, wer da ist«, sagte Sergeant Troy.
»Ich hab gesehen, wer da ist«, erwiderte der Chief Inspector und beschleunigte seine Schritte. »Vielen Dank.«
Kurz darauf kamen sie an den Fluss. Barnaby blieb an der niedrigen Brücke stehen, um auf das rasch dahinfließende Wasser zu schauen. Er fragte sich, wie es im Mondschein der Nacht ausgesehen haben mochte, in der Tanya fortgelaufen war. Der Mond musste nämlich geschienen haben, damit Charlie Leathers die Gesichter der beiden Frauen hatte erkennen können, die auf der Brücke einen Kampf ausfochten, der mit einem fürchterlichen Platschen endete. Und er hatte das, was er sah, für wirklich gehalten, wie wir das alle tun. Wer stellt schon das Zeugnis seiner eigenen Augen in Frage?
»Ich hab gerade nachgedacht, Sir. Diese Tanya ...«
»Armes Mädchen«, sagte Barnaby zu seiner eigenen Verblüffung.
»Ganz genau«, erwiderte Troy eifrig. »Wenn es jemanden gibt, der einen Freund braucht...«
»Denken Sie nicht mal im Traum daran.«
»Da wäre doch nichts dabei...«
»Doch, das wäre es. Irgendwann.«
»Aber was soll aus ihr werden?«
»Sie wird es überleben«, sagte Barnaby mit einer Zuversicht, die er nicht wirklich empfand. »Schließlich ist es ihr auch gelungen, uns reinzulegen.«
»Vermutlich.«
»Nicht ertrunken Troy, sondern nur gewunken. Genau umgekehrt wie in dem Gedicht.«
Troy schluckte seine Verärgerung herunter. So etwas passierte immer wieder. Der Chef sagte etwas, das ein bisschen schwierig, leicht obskur war. Irgendein Zitat aus irgendwas, von dem kein vernünftiger Mensch je gehört hatte. Wenn man dann um eine Erklärung bat, winkte er ab.
Sein gutes Recht, könnte man sagen. Aber dann soll er doch nicht ständig auf einem rumhacken, weil man keine Ahnung von Oper und Theater, von ernster Musik und schwierigen Büchern und so Zeug hat. Troy hatte neulich abends, als er nach Hause gekommen war, »Philister« in Talisa Leannes Wörterbuch nachgeschlagen und war nicht sonderlich erfreut gewesen. War es denn ein Wunder, dass er »eine Person mit mangelnder geistiger Bildung« war, wenn ihm jedesmal, wenn er eine Frage stellte, irgend so ein Alleswisser in seiner Umgebung über den Mund fuhr?
»Wie wär's mit einem Mittagessen im Red Lion?«
»Hört sich gut an, Chef.«
»Worauf haben Sie denn Appetit? Ich bezahle.«
»Fleischpastete mit Fritten wär schön. Und eine Portion von dieser Himbeer-Pawlowa.«
»Ausgezeichnet«, sagte Barnaby, während sie über den Platz vor dem Pub schritten. »Das dürfte Sie auf den Beinen halten.«
Wie sich herausstellte, pflegte Louise ihren Bruder doch nicht persönlich gesund. Valentine kehrte nur für wenige Tage nach Fainlights zurück, um seine Sachen zu packen, seinen Computer, persönliche Unterlagen und einige Bücher. Er hatte vor, sich bis zum Prozess, der in einigen Monaten stattfinden würde, irgendwo in London etwas zu mieten.
Während er nach einer Bleibe suchte, wurde ihm die Dachgeschosswohnung im Haus seines Verlegers in Hampstead angeboten. Der reguläre Bewohner, der Sohn des Verlegers, studierte im dritten Jahr in Oxford und war selten zu Hause. Obwohl alles ziemlich beengt war, richtete sich Valentine dort ein und gab allmählich den Gedanken auf, sich etwas anderes zu suchen, bevor geklärt war, wie die Zukunft aussehen würde. Nicht, dass er es so ausgedrückt hätte. Er dachte kaum noch über den Tag hinaus, meist noch nicht mal über den Augenblick, sondern ließ sich in dumpfer Einsamkeit von Stunde zu Stunde treiben.
Louise rief ständig an. Schließlich begann er den Stecker rauszuziehen und ließ ihn manchmal tagelang
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