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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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schließlich haben Sie’s ja doch noch geschafft.» Ihr Tonfall war beinahe streitlustig.
    «Mit meinem Auto?»
    «Ja, weil doch –»
    «Schon gut, schon gut», sagte Melrose mit unnatürlich lauter Stimme. «Trinken wir erst mal einen, was soll’s denn sein?»
    Vivian nahm keine Notiz von ihm, sie sagte zu Jury: «Aber irgendwie hat doch alles sein Gutes, nicht wahr? Ich meine, wenn die Panne nicht gewesen wäre, dann hätten Sie doch nie Ihre alte Freundin wiedergetroffen, oder?»
    «Meine Freundin?» fragte Jury stirnrunzelnd.
    Unterdes rief Melrose nach Scroggs und rieb sich voller Begeisterung die Hände. «Den Donnerschlag, den müßt Ihr probieren. Vivian, wieso steht eigentlich ein Möbelwagen vor Truebloods Laden? Kommt er nicht rüber? Dick!» rief er. «Der Superintendent will einen Donnerschlag haben!»
    Ihre Stimme klang ziemlich gereizt, als sie zu Jury sagte: «Es überrascht mich, daß Sie sich Woburn Abbey nicht angesehen haben, wo Sie doch fast schon dort waren. Das hätte ihr bestimmt gefallen, vor allem bei dem schönen Wetter.» Ihr Gesicht war rosig angelaufen, so als hätte sie zu lange vor dem Kamin gesessen.
    Jury forschte in ihrem Gesicht, als suche er nach Anzeichen von leichter geistiger Verwirrung, während sich Melrose vorbeugte, ihr die Sicht nahm und über das Buntglas mit der Aufschrift «Hardys Krone» hinweg eindringlich auf den Laden nebenan starrte. «Da ist ja auch Trueblood und kommandiert die Möbelpacker herum. Er rauft sich die Haare und kreischt …»
    Truebloods Gekreische kümmerte Vivian nicht, sie hatte sich mittlerweile so tief in die Patsche manövriert, daß sie nicht mehr herauskam; es war, als bliebe sie fortwährend mit Gummistiefeln im Morast stecken. Jetzt war sie bei den Löwen von Woburn Abbey. Jury hing an ihren Lippen, das Kinn in die Hand gestützt, starrte sie an und lächelte, während sie im Geist mit ihm und seiner alten Freundin den Safari-Park durchstreifte.
    Zum Glück begeisterte sich Dick Scroggs für seinen Donnerschlag genauso wie Vivian offensichtlich für wilde Tiere. Er unterbrach sie und erzählte Jury alles über den neuen Pub, der sich wahrscheinlich nicht lange halten würde, bei der Lage. Und wenn ihm das nicht den Garaus machte, dann würde er bestimmt von einer der großen Brauereien geschluckt werden und nur noch die Gelbe Gefahr verkaufen. «Sly ist bloß Geschäftsführer. Kann man immer merken, wenn’s gepachtet ist, die geben sich nicht die leiseste Mühe, Sir. Aber ein Eigentümer, der darf sich weder Ruh noch Rast gönnen, sag ich immer.»
    Jury pflichtete ihm aus vollem Herzen bei, und Scroggs zog breit grinsend ab, baute sich hinter seinem Tresen auf, steckte sich einen Zahnstocher in den Mund und machte sich an die Lektüre der Lokalzeitung, die sich Kahler Adler nannte.
     
    Marshall Trueblood kam wie gewöhnlich als Regenbogen verkleidet hereinspaziert – italienisches Seidenhemd, als Farbfleck ein lohfarbenes Halstuch, auf dem Kopf eine hellgelbe Kaschmirmütze. Truebloods Farbkaleidoskop erinnerte Plant immer an eine der Tiffany-Lampen in dessen Antiquitätengeschäft. Trueblood begrüßte Jury genauso übertrieben, wie er sich ausstaffierte. Einen Augenblick stand zu vermuten, daß er ihm um den Hals fallen würde, doch er begnügte sich mit einem Händeschütteln, nahm dabei Jurys Hände in seine beiden und zog ein Schmollmündchen, als wollte er ihm ein Küßchen zuhauchen. Dies alles machte den Eindruck einer gutinszenierten Show, obwohl Melrose keine Ahnung hatte, welches Publikum damit beeindruckt werden sollte – wahrscheinlich Trueblood höchstpersönlich.
    «So ein Ärger, das mit der Panne, Superintendent. Aber jetzt sind Sie ja da, und –»
    Vivian fiel ein: «Gerade wollte ich ihm erzählen –»
    «Was macht denn der Möbelwagen vor Ihrem Laden?» beeilte sich Melrose zu fragen.
    «Liefert mir Möbel. Die müssen Sie einfach sehen. Haben mich vier Tausender gekostet, vermutlich schlage ich aber nur sechs oder sieben wieder heraus.»
    «Das lohnt ja kaum die Mühe», sagte Vivian.
    «Möchten Sie sie sich nicht ansehen? Kommen Sie, kommen Sie.»
    «Nein danke», sagte Vivian, die in Gedanken immer noch in Woburn Abbey weilte.
    Die anderen standen auf und marschierten nach nebenan.
     
     
    Melrose überschlug im Kopf, daß all das Silber und Gold, die Vitrinen voller Lalique- und georgianischem Kristall, die Ofenschirme mit den Intarsien, die Kommoden, die Mahagoniregale voller ledergebundener Bücher gut

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