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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Schwein da, das kann ich Ihnen sagen. Kaum zu glauben, aber da fährt jemand glatt über die Bordsteinkante und mangelt mir nichts, dir nichts alles platt, was da steht – gottseidank war meine kleine Molly oben, sie spielt nämlich gern draußen mit dem Schwein, und dann entblödet sich diese Person nicht, es allen und jedem in die Schuhe zu schieben. Wohlgemerkt, ich lasse mit mir reden. Ich hätte nichts unternommen, außer mir die Reparatur von dem Schwein bezahlen zu lassen, aber da kommt mir diese Person doch derart pampig – Entschuldigung, Mr. Plant.» Jurvis lief etwas rot an.
    «Keine Ursache. Sieht aus, als ob Sie das Schwein schon zur Reparatur gegeben hätten.» Melrose wies auf die frisch vergipste Schweinshaxe.
    «Das hätten Sie lieber nicht tun sollen, Mr. Jurvis», sagte Jury. «Falls Sie Schadenersatz haben wollen.»
    Jurvis warf die Hände hoch. «Soll das etwa heißen, das Schwein da könnte als Zeuge gebraucht werden?»
    «Nicht so ganz. Möglicherweise aber als Beweismaterial.»
    Als der Schlachter das Beweismaterial traurig betrachtete, setzte Jury hinzu: «Aber zweifellos wird es nicht soweit kommen, Mr. Jurvis. Wer wäre schon so saublöd, damit vor Gericht zu gehen?» Jury lächelte von einem Ohr zum anderen.
    Ja, wer wohl? dachte Melrose.

6
    E IN M ÖBELWAGEN STAND mit zwei Rädern auf dem Bürgersteig vor Truebloods Antiquitätengeschäft, einem piekfeinen Haus im Tudor-Stil neben der «Hammerschmiede». Marshall Trueblood rang ununterbrochen die Hände und rief einem vierschrötigen Mann nach, er möge doch bitte mit der Urne da vorsichtig sein – Daß die Möbelpacker nicht auf ihn hörten, wurde an dem Gepolter und Geklirr und Truebloods Wehgeschrei deutlich. «Bloß nicht stehenbleiben», sagte Melrose.
    In der «Hammerschmiede» herrschte die übliche mittägliche Langeweile, deren Stille nur durch Mrs. Withersbys gelegentliche Schnarchlaute unterbrochen wurde. Wenn sie sich ihr Geld mit Putzen verdient hatte, verputzte sie es in flüssiger Form und schlief ihren Rausch an der Bar aus, den Kopf an die neue, versnobte Trennwand gelehnt. An einem Tisch weiter hinten saß ein ältliches Pärchen, das sich nicht ansah, nicht miteinander sprach und so beschaffen war, wie es Überlebende einer langen Ehe sind. Sie ähnelten sich mit ihrem grauen Reetdachhaar und trugen trotz des milden Wetters Partnerlook aus dunklem Tuch. Feierlich wie die Seehunde hockten sie da und starrten auf die Tür.
     
    Vielleicht war er ein Sadist; Melrose genoß es jedenfalls immer, wie Vivian Rivington reagierte, wenn sie auf Richard Jury traf. Diese Begegnungen waren selten und zufällig, und Vivian hatte nur die in Stratford-upon-Avon mit annähernd so etwas wie Selbstbeherrschung über die Bühne gebracht. Und das wahrscheinlich auch nur, dachte Melrose, weil sie am Arm von Conte Franco Giappino gehangen hatte – eher von ihm aufrecht gehalten wurde. Oder es lag an den Kleidern, die sie immer aus der Mottenkiste kramte, wenn sie gerade von einer Italienreise zurückgekehrt war? Wahrscheinlich hätte es jeder Frau Auftrieb gegeben, mit jemandem dazustehen, der schlank und teuer aussah und jene südländische Patina mit all ihren düsteren Verheißungen aufwies, an der man als Engländer zu gern einmal kratzen würde. Natürlich war die Aura des Conte mit Abstand nicht so verführerisch wie die des Superintendent, doch das wußte Vivian sicherlich schon seit geraumer Zeit.
    Wenn sie von einem ihrer venezianischen Ausflüge zurückkehrte, trug sie wohl eine Zeitlang die Kleider, die sie auf ihrer Reise erstanden hatte und von denen viele erlesen, kostspielig und kunstvoll formlos aussahen. Doch nach einer Weile kam dann wieder die alte Vivian mit ihren Twinsets und den prosaischen Wollröcken zum Vorschein. Heute hatte sie sich für etwas rundheraus Feminines entschieden; wie reizend sie doch war in dem geblümten Georgettekleid mit kupferfarbenem Grund, der genau den Ton ihrer Haare und den von Miss Broadstairs’ Rosen hatte. Da saß sie mit artig gefalteten Händen an einem Tisch in der «Hammerschmiede», hatte die Tasche neben sich gelegt und sah aus, als warte sie auf den Bus.
    Jury beugte sich zu ihr und gab ihr einen Kuß auf die Wange, und sie errötete, wurde zappelig und wollte auf dem leeren Tisch etwas zurechtrücken. Sie fand aber nur den Zinnaschenbecher, und so griff sie danach und fuhrwerkte damit in kleinen Kreisen auf dem Tisch herum.
    «Wie ärgerlich, das mit Ihrem Auto, aber

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