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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Gedanken Versunken, welche die Schlafende auf dem Bett nicht teilen konnte. «Sehen Sie das hier?» Er zog die Finger auseinander. «Die Schnittwunden an Zeigefinger und Daumen zeigen, daß sie einen Angriff abgewehrt hat. Und was ist mit Ihrem mausetoten Typen in Northants?»
    «Der wurde dem dortigen Gerichtsmediziner zufolge zwischen einundzwanzig Uhr und Mitternacht ermordet. Wobei ich mich allerdings frage: Könnte es auch bei ihm eine Stunde mehr oder weniger gewesen sein?»
    «Das hängt einzig und allein von den Umständen ab, wie Sie verdammt gut wissen, R. J. Also raus mit den Einzelheiten.»
    Jury erzählte ihm von dem secrétaire , der Ablieferung im Antiquitätengeschäft, der Entdeckung der Leiche.
    Willie Cooper blickte die Tote auf dem Tisch an, lachte ein wenig und schüttelte den Kopf, als freuten sie sich beide über einen Witz, den der Superintendent nicht mitgekriegt hatte. «Sie wollen doch darauf hinaus, ob die gleiche Person den Typen in Northants und mein Mädchen hier um die Ecke gebracht haben könnte. Klar doch.»
    «Sie haben mich nicht ganz verstanden: Könnte sie vor ihm umgebracht worden sein?»
    Cooper blickte zweifelnd auf das starre Gesicht auf dem Tisch, wiegte den Kopf, als wolle er den Lichteinfall für eine Kameraeinstellung ausrichten, und sagte: «Dann hätte Sadie also früher dran glauben müssen und Ihr Typ später. Hmm. Sie wollen auf Teufel komm raus gegen das Beweismaterial an, R. J. Die Luftzirkulation in dem Schreibdingsbums dürfte die Totenstarre bei ihm beschleunigt, das kalte Flußwasser sie bei ihr verlangsamt haben.» Er deutete mit dem Kopf auf die Leiche. «Ist aber egal, das können wir einkalkulieren.» Seine Augen glänzten wie Glassplitter. Er musterte Jury mit zusammengekniffenen Augen. Willie Cooper machte es nichts aus, gegen Beweismaterial anzugehen, weil sich Beweismaterial schon häufig als nicht schlüssig erwiesen hatte. «Ebensoviel Kunst wie Wissenschaft, was?» Er hielt die Säge hoch. «Mehr haben wir immer noch nicht, um an das Gehirn ranzukommen. Mit welcher Theorie spielen Sie, R. J.? Glauben Sie, jemand brachte erst unsere Sadie hier um und dann ihn?»
    «Sagen wir, es wäre durchaus möglich.»
    «Aber warum?»
    «Weil es vielleicht gar nicht Sadie ist.»
     
     
    Jury schloß das Auto ab und blickte quer durch den kleinen Park in Islington zu dem Haus hinüber, in dem er wohnte. Die anderen Häuser in der Zeile waren dunkel, abgesehen vom bläulichen Licht der Flimmerkisten hier und da, das Schatten an die Wände warf wie in Platons Höhle.
    Doch nicht in seinem Haus; nein, dort war anscheinend Karneval. Alles hell erleuchtet (seine eigene Wohnung inbegriffen, obwohl er gar nicht da war). Eigentlich lebten dort überhaupt nur drei Menschen. Da einer von ihnen allerdings Carole-anne war, fügte Jury im Geist noch ein Dutzend hinzu. Was auch die Musik, das Singen und Stampfen erklärte.
    Erst als er seine eigene Tür öffnete – Schlüssel nicht erforderlich; Carole-anne war schon vor ihm dagewesen und hatte seine Stereo-Anlage abtransportiert –, merkte er, daß sich das Hippodrom direkt über seinem Kopf befand, in der leeren Wohnung.
    Ein Nachbar schien seine Heimkehr abgepaßt zu haben, denn das Telefon läutete schon, noch ehe er seine Schlüssel auf den Schreibtisch werfen konnte. Ach ja, Mrs. Burgess von nebenan. Da er bei der Polizei war, stellte er die Klagemauer für die ganze Umgegend. Und wenn es gar um Krach aus seinem eigenen Haus ging, dann machte man tüchtig Gebrauch von ihr. Er hörte einen Moment zu und brummelte etwas, während er sich einen ordentlichen Whisky einschenkte. Dann setzte er sich aufs Sofa, legte den Hörer hin und schloß die Augen. Und die ganze Zeit über zirpte Mrs. Burgess’ Stimme aus der Ferne. Gelegentlich nahm er den Hörer vom Sofakissen und sprach ihr sein Mitgefühl aus. Nachdem sich die Stimme der Burgess eine Viertelstunde lang durch den Krach von oben gequält hatte, sagte Jury ihr (zum zwölften Mal), wie schwer sie es doch habe, und erklärte, es wimmle hier von Polizisten, was auch den Lärm erkläre. Die machten eine Razzia auf Rauschgift, nur hätten sie das falsche Haus erwischt, wie gut, daß sie noch auf sei, denn gleich kämen sie rüber – Klick machte es am anderen Ende. Er schob sein Telefon unters Sofa wie einen unartigen Hund und streckte sich dann darauf aus; gottseidank war es lang genug. Stand da oben etwa ein Klavier? Da spielte doch jemand auf Teufel komm raus. Der

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