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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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gegenüber.» Es war völlig klar, wo Scroggs’ Sympathien lagen. «Betty Ball war so schlau, sich aus allem rauszuhalten. Wenn sie’s schafft, meine ich. Wird wahrscheinlich als Zeugin gerichtlich verladen.»
    «Gerichtlich vorgeladen?» Scroggs würde sich in Pollys neuem Buch gut machen, dachte Melrose. Hätte Dorothy L. Sayers so wenig vom Glockenläuten verstanden wie Polly vom Rechtssystem, ihr Glockenturm wäre ein akustischer Greuel. Pollys Gerichtssaal jedenfalls war ein Greuel. Die Anwälte darin brüllten vor Gericht unentwegt: «M’lud! Mein gelehrter Freund hier …» und gaben einen Stuß von sich, der nicht mal einen Pferdedieb an den Galgen gebracht hätte.
    Scroggs klatschte seine Zeitung auf den Tresen und machte sich Luft: «Aber natürlich gibt es immer welche, die können sich einen gewieften Anwalt leisten, der sie rauspaukt.»
    «Das ist doch nur ein Bagatellfall, Dick.»
    Scroggs raschelte mit dem Kahlen Adler und verschwand wieder hinter der Zeitung. «Hier steht, daß Major Eustace-Hobson den Vorsitz führt.»
    «Dieser Idiot?» Major Eustace-Hobson würde sich in den Fünf falschen Verteidigern sofort heimisch fühlen.
    «Nur ein Idiot hätte diesen Fall übernommen, wenn Sie mich fragen.»
    «Aber klar doch, ja.»
    «Nichts für ungut, M’lord. So was kommt in den besten Familien vor.»
    Melrose hielt sich das Buch vors Gesicht.
    «Dem Himmel sei Dank, wenigstens ist der Superintendent wieder da.»
    Melrose ließ das Buch sinken. «Tatsächlich? Wo haben Sie ihn denn gesichtet?»
    «Drüben in der Villa Pluck.» So hieß sie stets, wenn die Dorfbewohner auf die Polizeiwache zu sprechen kamen. Es klang eher nach einer Pension oder einem Gästehaus. Und Pluck führte auch ein offenes Haus. Die Leute kamen auf ein Täßchen Tee vorbei, baten ihn um Rat und brachten ihm Kekse und Kuchen mit. Wenn an der Tür nicht das blauweiße Schild gewesen wäre, Melrose hätte die Wache für eine Teestube gehalten. «Auf der Wache ist er. Ich habe seinen Rover gesehen, gleich hinter dem von Superintendent Pratt. Die Polizei aus der halben Grafschaft ist da.» Scroggs hatte die Bar verlassen und stand am Fenster, das auf die High Street ging.
    «Geben Sie mir bitte Bescheid, wenn er herauskommt.»
    Da Augen und Ohren von Long Piddleton sich mit einem verstauchten Knöchel «auf dem Wege der Besserung» befanden, mußte nun jemand anders über alles auf dem laufenden sein. Scroggs wirkte überaus zufrieden, daß er in Agathas Fußstapfen treten durfte. Er lehnte sich an den Fensterrahmen und starrte in den grüngoldenen Maimorgen hinaus, bunt gefleckt wie das Glas, auf dem «Hardies Krone» zu lesen stand.
     
     
    Superintendent Charles Pratt blickte Richard Jury mit großen Augen an. Die Arme, die er protestierend hochgeworfen hatte, sanken matt zu beiden Seiten von Constable Plucks Drehstuhl herab, dann lehnte er sich zurück und deponierte die Füße auf dem Schreibtisch. Er schüttelte den Kopf.
    Sein Detective Inspector, John MacAllister, äußerte den Protest indes laut. Wenn man das höhnische Lachen als solchen bezeichnen konnte. Pratt schoß ihm einen warnenden Blick zu.
    Jury selbst lehnte an der Fensterbank. Das Schweigen, welches seinen Ausführungen folgte, wurde erst gebrochen, als MacAllister sagte: «Das ist verrückt.»
    «John!» Pratt schwang die Beine vom Schreibtisch.
    John MacAllister hob lediglich die Schultern und blätterte weiter in einem braunen Schnellhefter.
    Bei einem Polizisten war Arroganz ein gefährlicher Charakterfehler, außer er war obendrein ein Genie wie Jurys Freund Macalvie (der dieser Theorie sofort zugestimmt hätte).
    «Sagen wir», meinte Pratt und legte das Kinn auf die verschränkten Finger, «es klingt höchst unwahrscheinlich. Ehrlich gesagt –»
    Jury lächelte. «Es klingt unmöglich.»
    Da Jury damit MacAllisters Meinung Ausdruck verliehen hatte, sagte der Inspektor: «Endlich haben Sie recht, verdammt noch mal.»
    Pratt war wie Jury ein umgänglicher Mann, doch seine Geduld kannte Grenzen – die MacAllister nicht zu kennen schien, denn einen Kriminalen von Scotland Yard beleidigte man nicht. «John, nehmen Sie Pluck oder Greene, und sehen Sie zu, ob Sie aus Browne noch mehr rausholen. Wird’s bald, John.»
    Im Hinausgehen warf John MacAllister Jury einen grimmigen Blick zu.
    «Was hat er bislang gesagt? Ich meine, Theo Browne?»
    «Nichts. Behauptet, das Buch gehöre ihm; Trueblood behauptet, Browne habe es in Watermeadows mitgehen lassen. Ich

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