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Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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ist doch noch viel zu jung für einen Marquis.»
    «Nicht hier», flüsterte Melrose mit einem Blick auf Tommy, der gerade einen Schluck aus seinem Bierglas nahm. Die Kugeln waren aufgelegt, das Spiel konnte beginnen. «Dummerweise ist Großtantchen wiederum zu nachsichtig, was seine musikalischen Darbietungen betrifft. Er spielt einfach grauenhaft – was zum Teufel will er hier eigentlich mit diesem verfluchten Oboenkasten? Den hat er sich vorhin also über die Schulter geschnallt.»
    In der Tat hatte Tommy Whittaker seinen Oboenkasten mitgebracht. Er entnahm ihm zwei dünne Rundhölzer, schraubte sie behende zusammen und kreidete die Spitze ein.
    «Ein Queue! Du hattest ja ein Queue in deinem Oboenkasten», rief Melrose.
    Tommy sah von Plant zu Jury. Mit unbewegter Miene entgegnete er: «Haben Sie schon mal versucht, mit ’ner Oboe Snooker zu spielen?»
     

F ÜNFTER T EIL
    S ICHERHEITS -S PIEL

16
    Mit dem Queue konnte er eindeutig besser Umgehen als mit der Oboe.
    Clives Nerven begannen bereits zu flattern, bevor Tommy nur einen Stoß gemacht hatte. Nach einer Serie von 24 Punkten verpatzte Clive einen einfachen Direktstoß. Allein auf Rot und Schwarz spielend schaffte Tommy eine Serie von 40, wozu ein erstaunliches Repertoire an Stößen notwendig war. Ein Stoß auf die letzte rote Kugel führte dazu, daß der Spielball zur Feldlinie und in eine günstige Position zu den farbigen rollte. Er versenkte die gelbe mit einem Rückläufer, desgleichen die grüne und die braune und machte dann einen Sicherheitsstoß über zwei Banden.
    Als Clive wieder an den Tisch trat, hatte Tommy eine Serie von 54 Punkten hingelegt, ein Ergebnis, auf das selbst ein professioneller Spieler hätte stolz sein können. Aber es war nicht die Präzision, die Jury erstaunte, es war die Geschwindigkeit. Tom schien es nicht nötig zu haben, erst lange über einen Stoß nachzudenken, und doch war es klar, daß er nach einem bestimmten Plan spielte wie ein Schachspieler, der mehrere Züge vorausdenkt. Nur in seinen Bewegungen ähnelte er eher einem Tornado als einem Schachspieler.
    «Wo hast du gelernt, so zu spielen?» Melrose bot ihm eine Zigarre an.
    «Übung», sagte Tommy schlicht, dankte Melrose für die Zigarre und ging zurück an den Tisch. Clive hatte den Spielball ungünstig an die Bande gespielt und konnte nicht an seine farbige herankommen. Er versuchte, Tommy den Zugang zur blauen zu verbauen, aber es gelang ihm nicht, und Tommy versenkte sie und gleich darauf die rosa Kugel. Die schwarze einzulochen war danach nur noch Routine, und dann war das Spiel zu Ende.
    «Übung ist gut! Du mußt schon in der Wiege damit angefangen haben.»
    Tommy lächelte. «Mit fünf, um genau zu sein. Wissen Sie, mein Vater spielte gern Billard. Ich mußte mich immer auf eine Kiste stellen, damit ich über den Tisch reichen konnte.»
    «Ich habe noch nie jemanden so schnell spielen sehen», sagte Jury.
    «Dann haben Sie noch nie Hurricane Higgins gesehen.»
     
     
    «Was soll das heissen, ich kann nicht mitfahren?» Melrose dachte schaudernd an die Skier.
    Hornsby hatte schon vor einer halben Stunde die Sperrstunde verkündet, aber da ein paar Stammgäste auf ihren Ohren zu sitzen schienen, mußte er sich nun lautstark wiederholen.
    «Es wäre besser, wenn wir nicht zusammen in Spinney Abbey auftauchten. Außerdem sollten Sie den Jungen nicht allein durch dieses Schneegestöber …» Er nickte Tommy zu, der sich mit Clive unterhielt. Clive zeigte sich trotz seiner Niederlage gegen den Jungen als guter Verlierer.
    «Der liefe sogar bis zur Antarktis, wenn es dort einen Snooker-Tisch gäbe. Und überhaupt: Glauben Sie etwa, daß unsere Freundschaft ein Geheimnis bleibt, wenn Agatha Sie erst einmal gesehen hat? Unsere gemeinsamen Erlebnisse werden in ähnlich epischer Breite dargestellt werden wie die von Euryalus und Nisos.» Er kannte Jurys Vorliebe für Antike und Klassik.
    «Ich weiß, daß wir kein Geheimnis daraus machen können. Trotzdem werden Sie mir eine größere Hilfe sein, wenn gar nicht erst der Eindruck entsteht, daß wir zusammen an diesem Fall arbeiten.»
    «Dann sagen Sie mir wenigstens, an was für einem Fall wir arbeiten. Was hoffen Sie in der Abtei zu finden?»
    «Zunächst einmal Frederick Parmenger. Also los, rauf auf die Skier. Sie werden wahrscheinlich vor mir dort sein. Bis zum Ortsausgang und dann nach rechts, stimmt’s?»
    «Ja. Sie können die Abtei gar nicht verfehlen. Außenrum ist nichts als Dunkelheit; halten Sie

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