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Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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«Übertrieben? Das kann man wohl sagen. Wenn ich Ihnen erzählen würde, was ich durchmache, um im Training zu bleiben … ach, lassen wir das. Jedenfalls muß ich jeden Tag Snooker spielen, um nicht aus der Übung zu kommen.»
    «Und wofür brauchst du dann ausgerechnet mich? Wenn du schon die letzten zwei Nächte auf Skiern …»
    «Als Alibi.»
    «Wie bitte?»
    «Es ist auf die Dauer zu riskant für mich allein. Bis jetzt hat mich zwar noch keiner gesehen. Aber wenn Tante Betsy es rauskriegt, komme ich in Teufels Küche. Sind Sie aber dabei, dann kann ich erzählen, wir hätten uns die Ruinen angesehen oder so was. Ihnen wird schon was einfallen.»
    Melrose betrachtete das unbewegte Gesicht der Jungfrau Maria. Er hätte schwören können, daß sie ihm eben aufmunternd zugelächelt hatte.
    «Na schön», sagte er so barsch wie möglich, damit der junge Marquis sich nicht etwa einbildete, er könne jetzt frei über ihn verfügen und ihn zu weiteren unbesonnenen Abenteuern überreden.
    Aber als Tom ihm einen kameradschaftlichen Klaps auf die Schulter gab, mußte Melrose zugeben, daß er einem Abend mit der Dritten Taube alles andere vorziehen würde, sogar eine Skifahrt zum «Jerusalem Inn».

15
    Alles war wie gewohnt: Robbie spielte Pac-Man, und Nell Hornsby stand hinter der Bar. Das Kätzchen lag wieder in der Krippe – die Puppe Alice war vermutlich für andere, wichtigere Aufgaben gebraucht worden.
    In Jurys Kielwasser erschienen nach und nach ein paar Stammgäste an der Bar. Dickie stand bereits am Tresen, den Lauch wie einen ständigen Begleiter neben sich; er entblößte seine zahnlosen Kiefer zu einem freundlichen Grinsen, als er Jury ansprach: «Ich brauch ’n Bier, Mann. Woll’n Sie auch eins?» Jury nahm dankend an. Dickie war kein Geizkragen, soviel stand fest.
    Nell Hornsby warf sich das Geschirrtuch über die Schulter und zapfte zwei Glas Bitter.
    «Gießen Sie sich auch was ein, Nell», sagte Jury. Sie nahm eine Flasche aus dem Regal und schenkte sich einen kleinen Whisky ein. «Wissen Sie, wo Spinney Abbey liegt?»
    «Klar. Die Hauptstraße weiter bis zum Ortsausgang und dann nach rechts. Sie etwa auch?»
    «Ich etwa auch? Was meinen Sie denn damit?»
    «Gestern abend haben vier Leute nach dem Weg gefragt. Aus Northants, meinte Joe. Einer von ihnen war ein richtiger Earl. Sie sind mitten in eine Prügelei geplatzt – gleich, du alter Saftsack!» schrie sie zu Nutter hinüber. «Ich hab bloß zwei Hände.»
    «Wie sah er aus?»
    «Groß, aber nicht ganz so groß wie Sie. Helles Haar, grüne Augen. Gutaussehender Bursche.» Fast hätte sie noch «Nicht ganz so gutaussehend wie Sie» hinzugefügt.
    «Wer waren die anderen?»
    Sie zuckte die Achseln. «Ich selber hab sie nicht gesehn. Joe sagte, der eine sah aus, als wäre er der Dienstbote vom andern. Eine alte Dame war auch dabei. Und eine junge. Joe meint, sie sei ziemlich hübsch gewesen. Hat ihn an diesen Filmstar erinnert – wie heißt sie doch gleich?»
    «Vanessa Redgrave», sagte Jury mehr zu seinem Glas als zu Nell.
    «Genau. Sie kennen diese Leute also.»
    Jury nickte. «Wollten sie zu den Seainghams?»
    «Ja –»
    Jury hatte keine Ahnung, was Melrose Plant in Spinney Abbey trieb, aber er war froh, daß er dort war. Das würde ihm eine Menge Zeit und Ärger ersparen. Plant hatte ihm schon bei so manchem Fall weitergeholfen.
    Nell Hornsby leerte ihr Whiskyglas und fragte: «Mögen Sie eigentlich Snooker? Im Hinterzimmer findet gerade ein Match statt. Clive macht auch mit.»
    «Danke. Vielleicht seh ich’s mir mal an.» Jury verschob seinen Besuch in der Abtei auf später. Je später die Stunde, desto größer der Überraschungseffekt.
    Und desto später käme es zu der Begegnung mit Vivian Rivington.
     
    Der hintere Teil des Pubs bestand aus einem langen Zimmer mit Steinfußboden, das ein Radiator in dem großen, kalten Kamin nur äußerst unzureichend beheizte. Das Zimmer war im Moment für die Snooker-Partien reserviert; den niedrigeren Pool-Tisch hatte man in den Vorderraum gestellt. Die Kälte schien keinen zu stören, weder die Spieler noch die Zuschauer, die zum größten Teil von dem Spiel am ersten Tisch zum zweiten Tisch hinüberwanderten, wo soeben eine neue Partie begann.
    Clive, der eine Sonnenbrille trug, setzte in einer Art Boxerpose zum ersten Stoß an. Jury fragte sich, wie er durch die dunklen Gläser noch die Kugeln erkennen konnte. Obwohl er von Snooker etwa soviel Ahnung hatte wie von der Hundepflege, kam ihm Clives

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