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Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Haltung doch ein wenig nachlässig vor. Seine linke Hand bildete eine wacklige Brücke für das Queue. Allerdings war er mit seinen kurzen Stummelfingern ohnehin im Nachteil. Wenn man jedoch danach ging, wie die Leute sich um den Tisch drängten, um ihm zuzusehen, dann schien Clive der Dorfchampion zu sein. Er fixierte lange das Dreieck mit den roten Kugeln und visierte dann die linke hintere an. Er versenkte sie in der linken Ecktasche. Der Spielball prallte von der Bande ab und kam hinter den farbigen Kugeln fast wieder auf der Feldlinie zum Stehen. Für Jury, den Laien, sah das nach einem verdammt guten Stoß aus, denn Clive hatte jetzt keine Schwierigkeiten, die gelbe Kugel in der mittleren Tasche zu versenken. Er konnte abwechselnd noch drei rote und drei farbige einlochen, bevor ihm bei einem Stoß auf eine rote Kugel, die an der Bande lag, das Queue abrutschte. Aber er hatte eine hübsche Serie hingelegt, so daß er sich beruhigt zurücklehnen konnte.
    Jury ging hinüber zu Clive, der sich gerade selbst mit einem Bier zuprostete. Er zeigte ihm seinen Ausweis und das Foto von Helen Minton. «Tut mir leid, daß ich Sie stören muß, aber Mrs. Hornsby hat mir erzählt, Sie hätten sich mit dieser Frau hier unterhalten.»
    Clive beäugte mißtrauisch das Bild und zuckte die Achseln. «Ich hab ihr nur einen Drink ausgegeben. Sie hat kaum ein Wort geredet.» Er schaute zum Snooker-Tisch hinüber. «Ich bin wieder dran.» Er schob sich an Jury vorbei und trat an den Tisch.
    In Höhe von Jurys Ellbogen sagte eine Stimme: «Ich hab die Kleider.»
    Es war Chrissie. Im Arm hielt sie die große Puppe, die jetzt mit Stoffstreifen umwickelt war und wie ein Fall fürs Leichenschauhaus aussah.
    «Schön», sagte Jury. «Jetzt sieht sie schon eher wie das Jesuskind aus.»
    Chrissie war offenbar mit diesem mageren Kompliment noch nicht zufrieden, aber als Jury dem nichts weiter hinzuzufügen hatte, drehte sie sich um und sah gleichfalls dem Spiel zu. «Spielen Sie das auch?» Ihre Kinderstimme drang hell durch den rauchgeschwängerten Bierdunst.
    «Psst», machte jemand, denn Clive konzentrierte sich gerade auf einen schwierigen Bandenstoß.
    In diesem Moment wurde die Hintertür aufgerissen, ein eisiger Wind fegte eine dichte Schneewolke herein und mit ihr zwei Gestalten in Skimützen.
    Clive landete einen Fehlstoß und fluchte.
    Jury war im Vorteil gegenüber Melrose Plant. Der riß beim unverhofften Anblick seines Freundes in sprachlosem Erstaunen Mund und Augen auf.
    «Was ist das?» fragte Jury und sah von Melrose zu Tom. «Die Olympia-Auswahl von Spinneyton?»
    «Ich frage am besten gar nicht erst, was das zu bedeuten hat», sagte Jury.
    «Ich bitte darum», sagte Melrose. «Aber wir sind tatsächlich auf Skiern gekommen.»
    «Was Sie nicht sagen.»
    Melrose beobachtete Tommy, der sich mit den anderen Spielern unterhielt, als wäre er hier zu Hause. «Sie, äh … sind wohl mit dem Auto hier?»
    «Ja. So ist das eben mit uns Stadtmenschen. Wenn Sie bei Seaingham zu Gast sind, kennen Sie wahrscheinlich den Mann, nach dem ich suche – Frederick Parmenger.»
    «Parmenger? Was wollen Sie denn ausgerechnet von dem?»
    «Vorgestern wurde im Schlafzimmer von Old Hall eine Frau tot aufgefunden …»
    «Old Hall? Sagt mir nichts.»
    «Das Herrenhaus in Washington. Es gehört der Gesellschaft für Denkmalschutz … lesen Sie denn keine Zeitungen?»
    «Zeitungen. Wie denn? Spinney Abbey ist seit drei Tagen eingeschneit. Wir sind mehr oder weniger von der Welt abgeschnitten.» Melrose hielt seine Skimütze hoch. «Sie glauben doch nicht etwa, daß ich jeden Tag mit dieser Polarausrüstung durch die Gegend streife, oder?»
    «Ich hoffe es jedenfalls nicht. Parmenger ist der Cousin der Frau, die gefunden wurde. Ihr Name ist Helen Minton.»
    «Wie wurde sie gefunden?»
    «Tot.»
    Melrose zündete sich eine Zigarre an. «Das habe ich mir beinahe gedacht. Ich wollte eigentlich wissen, wie sie gestorben ist. Wer hat sie gefunden? Die Denkmalschützer?»
    «Touristen», sagte Jury knapp.
    «Sie wurde also ermordet. Ansonsten hätte man Sie wohl kaum hierhergeschickt.»
    «Man hat mich nicht geschickt, ich war schon hier.»
    «In dieser Einöde? Wieso denn das?»
    Jury erzählte ihm von seinem vorzeitig abgebrochenen Besuch in Newcastle und seiner Begegnung mit Helen Minton.
    Melrose schwieg eine Weile, blies auf die Glut seiner Zigarre und sagte dann: «Das tut mir leid.»
    Jury zuckte die Achseln und trank einen Schluck Bier. «Es muß

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