Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
lächelte.
Er versuchte, sich an seinen letzten Drink zu erinnern. Er wusste noch, wie er im Ox vor zwei Gläsern und einer Packung Kippen gestanden hatte. Aber davor... Wein mit Gill?
Jack hatte gemeint, im Zimmer sei es kalt; Rebus bekam darin keine Luft. Er zog sein Jackett aus, lockerte den Schlips und öffnete den obersten Knopf seines Hemdes. Dann spazierte er auf und ab, spähte in Schreibtischschubladen und graue Kartons.
Er entdeckte Vernehmungsprotokolle zwischen verblichenen und eselsohrigen Pappdeckeln; handgeschriebene und getippte Berichte; Resümees; Karten und Stadtpläne, größtenteils von Hand gezeichnet; Dienstbücher; ganze Stapel von Zeugenaussagen - Beschreibungen des Mannes, der im Barrowland Ballroom gesehen worden war. Dann gab es die Fotos, matte Schwarzweißabzüge, zwanzig mal fünfundzwanzig und kleiner. Das Tanzlokal selbst, von innen und außen. Es sah moderner aus, als das Wort ballroom , Tanzlokal, suggerierte, und erinnerte Rebus ein bisschen an seine alte Schule: flacher Plattenbau mit vereinzelten Fenstern. Auf einem Betonvordach drei Scheinwerfer, die auf die Fenster und in den Himmel strahlten. Und am Vordach selbst - einem nützlichen Schutz vor dem Regen -die Worte »Barrowland Ballroom« und »Dancing«. Die meisten Außenaufnahmen waren an einem verregneten Nachmittag geschossen worden: Frauen in Plastikregenjacken dicht an der Hauswand, Männer mit Schirmmützen und langen Mänteln. Weitere Fotos: Polizeitaucher, die den Fluss absuchten; die Tatorte, CID-Beamte mit ihren charakteristischen flachen Hüten und Regenmänteln, eine Gasse, der Hinterhof eines Mietshauses, ein weiterer Hinterhof. Typische Örtlichkeiten zum Knutschen und Fummeln und vielleicht auch mehr. Es gab ein Foto von Superintendent Joe Beattie, der ein Phantombild Bible Johns hochhielt. Wenn man sich die beiden ansah - Beattie und den Abgelichteten -, konnte man eine gewisse Ähnlichkeit des Ausdrucks erkennen. Das war seinerzeit auch einigen Zeitungslesern aufgefallen. Mackeith Street und Earl Street - Opfer Nummer zwei und drei - waren in den Straßen, in denen sie wohnten, ermordet worden. Er hatte sie fast bis nach Haus begleitet. Warum? Um sie in Sicherheit zu wiegen? Oder hatte er gezögert, das Ganze immer weiter hinausgeschoben? Sich nicht getraut, sie zu küssen oder zu umarmen? Oder war er einfach nur ängstlich gewesen, hin und her gerissen zwischen Gewissensbissen und seinem unbändigen Verlangen zu töten? Die Akten waren voll von solchen wilden Spekulationen und den fundierteren Theorien professioneller Psychologen und Psychiater. Am Ende hatten sie nicht mehr genützt als die Aussagen des Hellsehers Croiset. Rebus spielte mit dem Gedanken, sich in diesem Zimmer mit Aldous Zane zu treffen. Zane war erneut in den Zeitungen erwähnt worden; er hatte den jüngsten Tatort inspiziert, dieselbe Schau abgezogen und war dann wieder zurück, in die Staaten gereist. Rebus fragte sich, was Jim Stevens als Nächstes im Schilde führte. Er erinnerte sich an Zanes Handschlag, an das elektrische Kribbeln. Und an Zanes »Eindrücke« von Bible John - obwohl Stevens damals dabei gewesen war, hatte die Zeitung es nicht für nötig befunden, sie abzudrucken. Ein Schrankkoffer in einem modernen Haus. Na ja, wenn eine Zeitung ihn in einem schicken Hotel einquartiert hätte, wäre Rebus da schon was Spektakuläres eingefallen.
Lumsden hatte ihn in einem schicken Hotel einquartiert, wahrscheinlich in der Annahme, dass das CID Grampian nie was davon erfahren würde. Lumsden hatte versucht, sich bei ihm anzubiedern, ihm einzureden, sie seien die gleiche Sorte Bulle, ihm zu zeigen, dass er, Lumsden, in der Stadt etwas galt: für Essen und Trinken nichts zu zahlen brauchte, umsonst in den Burke's Club hineinkam. Er hatte Rebus auf den Zahn gefühlt, inwieweit er für Schmiergelder empfänglich sein würde. Aber in wessen Auftrag? Der Klubbesitzer? Oder Uncle Joe selbst...? Weitere Fotos. Die schienen überhaupt kein Ende nehmen zu wollen. Was Rebus interessierte, waren die Passanten, die Leute, die nicht wussten, dass sie für die Nachwelt verewigt wurden. Eine Frau in hochhackigen Schuhen, tolle Beine - mehr als Absätze und Beine waren von ihr nicht zu sehen, den Rest verdeckte eine Beamtin, die gerade an der Rekonstruktion des Tathergangs beteiligt war. Ein paar Trachtengruppier suchten die von der Mackeith Street abgehenden Hinterhöfe nach der Handtasche des Opfers ab. Die Höfe sahen allesamt so aus, als
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