Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
hätte dort eine Bombe eingeschlagen - Stangen zum Wäschetrocknen, die aus dürftigem Gras und Schutt ragten. Autos am Straßenrand: Zephyrs, Hillman Imps, Zodiacs. Eine völlig andere Welt. Auf einem Karton lag eine Rolle Plakate, das Gummiband, das sie einst zusammengehalten hatte, war längst mürbe geworden. Fahndungsbilder Bible Johns mit ergänzenden Angaben: »Spricht mit einem gepflegten Glasgower Akzent und hält sich sehr gerade.« Äußerst hilfreich. Die Telefonnummer der Ermittlungszentrale. Es waren Tausende von Anrufen eingegangen, ganze Kisten voll. Jeweils kurze Zusammenfassungen, mit ausführlicheren nachträglichen Notizen, wenn der Anruf eine Überprüfung wert zu sein schien.
Rebus' Augen glitten über die übrigen Kisten. Er wählte eine beliebige aus - einen großen, flachen Pappkarton, in dem Zeitungen von damals lagen, seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr gelesen. Er sah sich Titelseiten an, blätterte weiter nach hinten zum Sportteil. Ein paar Kreuzworträtsel waren zur Hälfte gelöst worden, wahrscheinlich von irgendeinem gelangweilten Detective. An jede Schlagzeile waren Zettel geheftet, auf denen die Seite mit dem entsprechenden Bible-John-Artikel notiert war. Aber dort würde Rebus nichts finden. Also überflog er die anderen Artikel, wobei er über manche Anzeigen lächeln musste. Einige davon wirkten nach heutigen Maßstäben unbeholfen, andere waren immer noch aktuell. In den Kleinanzeigen boten Leute Rasenmäher, Waschmaschinen und Plattenspieler zu absoluten Dumpingpreisen an. Eine Anzeige kehrte in einer Reihe von Zeitungen wieder, eingerahmt wie eine amtliche Bekanntmachung:
»Finden Sie ein neues Leben und einen guten Job in Amerika - unsere Broschüre verrät Ihnen, wie.« Man musste ein paar Briefmarken an eine Adresse in Manchester schicken. Rebus lehnte sich zurück und fragte sich, ob Bible John es so weit geschafft hatte. Im Oktober 1969 war Paddy Mechan vom Obersten Gericht in Edinburgh verurteilt worden und hatte gebrüllt: »Sie machen einen schrecklichen Fehler - ich bin unschuldig!« Da musste Rebus an Lenny Spaven denken; er schob den Gedanken beiseite und nahm sich eine neue Zeitung vor. 8.
November: Stürme erzwangen die Evakuierung der Bohrinsel Staflo; 12. November: Die Eigentümer der Torrey Canyon zahlten eine Entschädigungssumme in Höhe von drei Millionen Pfund, nachdem der Tanker fünftausend Tonnen kuwaitisches Rohöl im Ärmelkanal verloren hatte. Schnitt: Die Stadtverwaltung von Dunfermline hatte beschlossen, die Vorführung von Das Doppelleben der Sister George zu gestatten, und ein brandneuer Dreieinhalbliter-Rover war für lächerliche siebzehnhundert Pfund zu haben. Rebus blätterte weiter bis Ende Dezember. Der Vorsitzende der Scottish National Party sagte voraus, dass Schottland »an der Schwelle eines schicksalhaften Jahrzehnts« stehe. Geschliffen formuliert, Sir. 31. Dezember: Hogmanay, das schottische Silvesterfest. Der Herald wünschte seinen Lesern ein glückliches und erfolgreiches Jahr 1970 und brachte als Aufmacher einen Artikel über eine Schießerei in Govanhill: ein Beamter tot, drei verletzt. Als er die Zeitung hinlegte, fegte der Luftzug ein paar Fotos vom Schreibtisch. Er hob sie wieder auf: die drei Opfer, so voller Leben, hoffnungsvoll in die Zukunft blickend. Opfer eins und drei wiesen eine gewisse Ähnlichkeit auf. Wie viele Opfer gab es? Nicht nur von Bible John oder Johnny Bible, sondern von allen Mördern, den bestraften und denen, die ungeschoren davongekommen waren - die World's-End-Morde, Cromwell Street, Nilsen, der Yorkshire Ripper... Und Elsie Rhind... Wenn Spaven sie wirklich nicht getötet hatte, musste sich der Mörder während des ganzen Prozesses ins Fäustchen gelacht haben. Und er war noch immer auf freiem Fuß, mittlerweile vielleicht mit weiteren Skalps an seinem Gürtel, weiteren ungelösten Mordfällen, die auf sein Konto gingen.
Elsie lag ungerächt in ihrem Grab, ein vergessenes Opfer. Spaven hatte Selbstmord begangen, weil er die Last einer falschen Beschuldigung nicht ertragen konnte. Und Lawson Geddes... hatte er sich aus Kummer über seine Frau das Leben genommen oder Spavens wegen?
Die Mistkerle hatten sich alle aus dem Staub gemacht; nur John Rebus war noch übrig. Sie versuchten, ihm die Verantwortung aufzuhalsen. Aber er spielte nicht mit, und er würde auch weiter nicht mitspielen, würde weiter abblocken. Er wusste nicht, was er sonst hätte tun können außer saufen. Der Wunsch, jetzt
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