Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
für die der Polizistenberuf eine Berufung war, und diejenigen, die sich in jedem anderen Bürojob wohlgefühlt hätten, so ziemlich die Waage hielten.
Aber was hätte John Rebus sonst tun können? Wenn sie ihn bei der Polizei rausschmissen... würde er wahrscheinlich seine Pension versaufen und einer von den alten Exbullen werden, die sich an ihrem Fundus von alten Geschichten aufrecht hielten und diese zu oft denselben Leuten erzählten: eine Form von Isolation gegen eine andere eintauschend.
Es war wichtig, dass John bei der Polizei blieb. Deswegen war es wichtig, dafür zu sorgen, dass er sich nicht in die Scheiße manövrierte. Jack fragte sich, warum nichts im Leben je einfach sein konnte. Als Chick Ancram ihm den Auftrag erteilte, »ein Auge auf Rebus zu haben«, hatte er sich auf seine Aufgabe gefreut. Er hatte sich vorgestellt, dass sie zusammen ausgehen würden, sich in Erinnerungen an Fälle und Verdächtige, Sackgassen und Höhepunkte ergehen würden. Er hätte es besser wissen sollen. Er mochte sich geändert haben, zu einem Jasager, Sesselpupser, Karrieristen geworden sein, aber John war noch immer derselbe... nur noch schlimmer. Die Zeit hatte seinen Zynismus verstärkt und verhärtet. Er war kein Terrier mehr, sondern ein Kampfhund. Man sah ihn an und wusste, dass er, wie blutüberströmt er auch sein, wie viel Schmerz auch hinter der Maske wüten mochte, bis zum letzten Atemzug nicht mehr loslassen würde.
»Der Stau löst sich allmählich auf«, stellte Rebus fest.
Es stimmte. Der Tacho kletterte auf hundert. Sie würden in null Komma nichts in Glasgow sein. Jack sah zu Rebus, der ihm zuzwinkerte, ohne den Blick von der Fahrbahn zu wenden. Jack hatte plötzlich eine Vision von sich: wie er an einem Tresen hing, für einen einzigen weiteren Drink seine Pension aufs Spiel setzte. Scheiß drauf. Seinem Freund zu^ liebe würde er die neunzig Minuten durchstehen, aber mehr nicht: keine Verlängerung, keine Strafstöße. Vor allem keine Strafstöße.
Sie fuhren zur Revierwache Partick, da man sie dort kannte. Govan wäre auch eine Möglichkeit gewesen, aber Govan war Ancrams Hauptquartier und somit kein Ort, an dem sie unbehelligt hätten agieren können. Die Ermittlungen in Sachen Johnny Bible waren durch den jüngsten Mord etwas in Fahrt gekommen, aber letzten Endes tat die Glasgower Mannschaft nicht viel mehr als das Aktenmaterial, das von Aberdeen geschickt wurde, zu sichten und abzuheften. Der Gedanke, dass er im Burke's Club an Vanessa Holden vorbeigegangen war, ließ Rebus schaudern. Sosehr Lumsden versucht hatte, ihm etwas anzuhängen - in einem musste man dem CID Aberdeen Recht geben: Es war schon eine ganz schöne Reihe von Zufällen, die Rebus mit dem Johnny-Bible-Fall in Verbindung brachte. Und genau deshalb begann er allmählich daran zu zweifeln, dass da überhaupt Zufall im Spiel war. Irgendwie hing Johnny mit einer von Rebus' anderen Ermittlungen zusammen. Momentan war es nicht mehr als eine dumpfe Ahnung, nichts, woraus sich etwas hätte machen lassen. Aber es war da, bohrte und nagte und zwang ihn, sich zu fragen, ob er nicht möglicherweise mehr über Johnny Bible wusste, als ihm klar war.
Partick, neu, hell und behaglich - gewissermaßen der Inbegriff einer modernen Polizeiwache -, war und blieb dennoch feindliches Territorium. Rebus hatte keine Ahnung, wie viele wohlwollende Ohren hier für Uncle Joe mithören mochten, aber er glaubte, ein ruhiges Plätzchen zu kennen, wohin sie sich zurückziehen könnten.
Während sie durch das Gebäude gingen, nickten ihnen ein paar Beamte zu oder grüßten Jack mit Namen.
»Basislager«, bemerkte Rebus schließlich und betrat das verlassene Büro, das vorübergehend zum zweiten Zuhause Bible Johns geworden war. Hier war er, ausgebreitet über Tische und Fußboden, mit Reißzwecken und Tesafilm an den Wänden befestigt. Man kam sich vor wie in einer Fotoausstellung. Das jüngste Phantombild Bible Johns, dasjenige, das nach den Angaben der Schwester des dritten Opfers angefertigt worden war, bedeckte zusammen mit ihrer Personenbeschreibung in mehrfacher Ausfertigung die Wände des Zimmers. Es war so, als glaubte die Polizei, den Mörder durch schiere Wiederholung, durch massenhafte Anhäufung seiner Bilder, zu einem materiellen Wesen machen, Papier und Tinte in Fleisch und Blut verwandeln zu können.
»Ich kann diesen Raum nicht ausstehen«, sagte Jack, als Rebus die Tür schloss.
»Wie's aussieht, geht es allen anderen hier auch
Weitere Kostenlose Bücher