Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
Mietskasernen, aber als das Taxi jetzt sein Ziel erreichte, sah Rebus Reihenhäuser und Satellitenschüsseln. Die Mietskasernen waren seit langem verschwunden; schon 1969 hatten sie, viele von ihnen bereits unbewohnt, auf den Abriss gewartet. Man hatte sie in einem der leer stehenden Gebäude entdeckt, mit ihrer eigenen Strumpfhose erdrosselt. Ein paar ihrer Dinge, darunter die Handtasche, waren nicht aufzufinden gewesen. Rebus stieg diesmal nicht aus; er sah keinen Sinn darin. Der Fahrer drehte sich zu ihm um.
»Bible John, stimmt's?«
Rebus nickte überrascht. Der Fahrer steckte sich eine Zigarette an. Er mochte um die fünfzig sein, dichtes, lockiges graues Haar, gesunde Gesichtsfarbe, ein jungenhaftes Blitzen in den blauen Augen.
»Ich war nämlich schon damals Taxifahrer«, sagte er. »Und bin wohl nie davon weggekommen.«
Rebus erinnerte sich an den Aktenordner mit der Aufschrift »Taxiunternehmen«. »Wurden Sie damals von der Polizei befragt?«
»Klar doch, aber es ging mehr darum, dass wir die Augen offen halten sollten, für den Fall, dass der bei uns einstieg. Aber der sah ja völlig x-beliebig aus, da hätten Dutzende auf die Beschreibung gepasst. Ein paar Leute wären fast gelyncht worden. Einigen mussten die so eine Karte mitgeben: >Dieser Mann ist nicht Bible John<, mit der Unterschrift vom Polizeichef.«
»Was glauben Sie, was aus ihm geworden ist?«
»Keine Ahnung. Wenigstens hat er aufgehört, das ist ja die Hauptsache, oder?«
»Falls er aufgehört hat«, sagte Rebus leise. Die dritte Adresse war Earl Street in Scotstoun, wo die Frau in der Halloweennacht aufgefunden wurde. Die Schwester hatte den ganzen Abend mit dem Opfer verbracht und konnte einen entsprechend detaillierten Bericht zu Protokoll geben: mit dem Bus zum Glasgow Cross, zu Fuß die Gallowgate entlang... die Schaufenster, die sie sich angeguckt hatten... ein paar Drinks in der Traders Tavern... dann das Barrowland. Sie hatten beide Männer namens John kennen gelernt. Die zwei Typen waren sich wohl nicht sonderlich sympathisch gewesen. Der eine ging allein zur Bushaltestelle, der andere blieb und teilte sich mit ihnen ein Taxi. Redete. Rebus zerbrach sich darüber den Kopf, wie es so viele andere vor ihm getan hatten: Warum hatte Bible John eine so wichtige Zeugin nicht aus dem Weg geräumt? Warum hatte er sein drittes Opfer getötet, obwohl er doch wusste, dass die Schwester imstande sein würde, ihn genau zu beschreiben: seine Kleidung, wovon er geredet hatte, die zwei auffälligen schiefen Schneidezähne? Warum war er so leichtsinnig gewesen? Machte er sich über die Polizei lustig, oder gab es einen anderen Grund? Vielleicht stand er unmittelbar davor, Glasgow zu verlassen, und konnte sich deswegen diesen sorglosen Abgang leisten. Aber wohin war er dann gefahren? Irgendwohin, wo seine Beschreibung wertlos sein würde: nach Australien, Kanada, in die USA?
Auf halbem Weg zur Earl Street sagte Rebus, er habe seine Meinung geändert, und ließ sich stattdessen zur »Marine« fahren. Das ehemalige Dienstgebäude des Polizeireviers Partick - das das Herz der Ermittlungen im Bible-John-Fall gewesen war - stand leer und verkam. Man konnte noch immer hinein, wenn man die Vorhängeschlösser öffnete, und Jugendliche hatten wahrscheinlich schon festgestellt, dass nicht einmal das unbedingt nötig war. Rebus aber begnügte sich damit, vor dem Gebäude zu sitzen und darauf zu starren. Eine Menge Männer waren zur Marine gebracht, vernommen und vorgeführt worden. Es hatten fünfhundert formelle und noch weit mehr informelle Gegenüberstellungen stattgefunden. Joe Beattie und die Schwester des dritten Opfers standen da und konzentrierten sich auf Gesichter, Gestalten, Stimmen. Dann ein Kopfschütteln, und Joe konnte wieder bei null anfangen.
»Als Nächstes wollen Sie wohl das Barrowland sehen, stimmt's?«, sagte sein Fahrer. Rebus schüttelte den Kopf. Es reichte ihm. Das Barrowland würde ihm nichts verraten, was er nicht schon wusste.
»Kennen Sie eine Bar, die The Lobby heißt?«, fragte er stattdessen. Der Fahrer nickte. »Dann fahren wir da hin.« Er bezahlte den Taxifahrer, gab ihm noch einen Fünfer Trinkgeld und bat um eine Quittung.
»Keine Quittung, Kumpel, tut mir Leid.«
»Sie arbeiten nicht zufällig für Joe Toal, was?«
Der Mann funkelte ihn an. »Nie von dem gehört.« Dann legte er den Gang ein und brauste davon.
Ancram stand am Tresen der Lobby und erweckte den Eindruck, als genieße er die viele
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