Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
Bekannter«, erklärte Ancram - ein Spitzel also. Der Mann bestellte ein »Halb und Halb«: Whiskey mit einem halben Pint Dunkelbier zum Nachspülen. Er öffnete ein Päckchen Embassy und vermied es ein bisschen zu auffällig, nicht herüberzuschauen.
»War das also alles, was Uncle Joe Ihnen erzählt hat?«, fragte Ancram. »Eins würde mich interessieren: Wie sind Sie an ihn rangekommen?«
»Ein Streifenwagen hat mich abgesetzt. Das letzte Stück bin ich gelaufen.«
»Sie wissen, was ich meine.«
»Uncle Joe und ich haben einen gemeinsamen Freund.« Rebus leerte seinen Malt.
»Noch mal das Gleiche?«, fragte Ancram. Rebus nickte. »Na ja, ich weiß, dass Sie in der Bar-L waren.« Jack Morton hatte geplaudert} »Und mir fallen nicht allzu viele Leute ein, deren Wort bei Uncle Joe was gilt... Big Ger Cafferty?« Rebus spendete lautlos Beifall. Diesmal war Ancrams Lachen echt, keine Show für Reporter.
»Und die alte Drecksau hat Ihnen nichts gesagt?«
»Nur dass er glaubte, Tony El sei nach Süden gezogen, vielleicht nach London.«
Ancram fischte die Zitrone aus seinem Drink und legte sie beiseite. »Wirklich? Das ist interessant.«
»Warum?«
»Weil meine Freunde mir Bericht erstattet haben.« Ancram bewegte kaum merklich den Kopf, und schon glitt am anderen Ende des Tresens der Spitzel von seinem Barhocker und kam auf sie zu. »Erzähl Inspector Rebus, was du mir erzählt hast, Dusty.«
Dusty leckte sich die nicht vorhandenen Lippen. Er sah wie die Sorte Spitzel aus, die es nicht bloß aus Geldgier oder Rachsucht tut, sondern auch, um sich wichtig zu fühlen.
»Es heißt«, sagte er und hielt weiterhin den Kopf gesenkt, so dass Rebus ihm auf den Scheitel sah, »dass Tony El in letzter Zeit im Norden gearbeitet hat.«
»Norden?«
»Dundee... Nordosten.«
»Aberdeen?«
»Die Ecke, ja.«
»Als was?«
Ein schnelles Achselzucken. »Freier Unternehmer, wer weiß. Man hat ihn einfach da gesehen.«
»Danke, Dusty«, sagte Ancram. Dusty verzog sich wieder an das Ende des Tresens. Ancram gab der Bardame ein Zeichen. »Noch zwei«, sagte er, »und für Dusty, was er will.« Er wandte sich zu Rebus. »Wem glauben Sie nun, Uncle Joe oder Dusty?«
»Sie glauben, er hat gelogen, nur um mich aufzuziehen?«
»Oder runterzuziehen.«
Ja, ganz runter, bis nach London - eine falsche Fährte, die die Ermittlungen hätte behindern können: vergeudete Zeit, Arbeitskraft, Mühe.
»Das Opfer hatte draußen vor Aberdeen gearbeitet«, sagte Rebus.
»Wohin alle Wege führen.« Die Drinks kamen. Ancram zückte einen Zwanziger. »Behalten Sie den Rest, ziehen Sie davon alles ab, was Dusty noch trinkt, und geben Sie ihm am Ende, was übrig bleibt. Und noch einen für Sie.«
Sie nickte, kannte das Spiel. Rebus dachte konzentriert nach: mögliche Routen nach Norden. Wollte er nach Aberdeen? Das hätte ihm das Justice Programme erspart, ihn vielleicht davon abgehalten, an Lawson Geddes zu denken. Der heutige Tag war in der Hinsicht wie Urlaub gewesen. In Edinburgh gab's zu viele Gespenster; aber in Glasgow schließlich auch: Jim Stevens, Jack Morton, Bible John und dessen Opfer...
»Hat Jack Ihnen erzählt, dass ich in der Bar-L war?«
»Nehmen Sie es ihm nicht krumm, ich hab den Vorgesetzten rausgekehrt.«
»Er hat sich ganz schön verändert.«
»Hat er Sie genervt? Ich hatte mich schon gefragt, warum er Ihnen heute Mittag nachgestiefelt ist. Der Eifer des Bekehrten.«
»Kapier ich nicht.« Rebus hob das Glas an die Lippen, ließ den samtweichen Inhalt durch die Kehle rinnen.
»Hat er's nicht erzählt? Er ist in die AA eingetreten, und ich meine damit nicht die Pannenhilfe.« Ancram hielt inne. »Obwohl, wenn ich's mir recht überlege, vielleicht doch.« Er zwinkerte, lächelte. Sein Lächeln hatte etwas Unangenehmes; es suggerierte, dass er in gewisse Geheimnisse eingeweiht war - ein gönnerhaftes Lächeln.
Ein echt Glasgower Lächeln.
»Er war Alkoholiker«, fuhr Ancram fort. »Ich meine, er ist immer noch einer. Einmal Alki, immer Alki, so heißt es bei denen ja. In Falkirk ist was mit ihm schief gelaufen, er landete im Krankenhaus, fast im Koma. Schweißausbrüche, großes Kotzen, Schleim, der von der Zimmerdecke runtertropfte. Hat ihm eine Scheißangst eingejagt. Kaum war er draußen, hat er als Erstes die Nummer der Telefonseelsorge rausgesucht, und die haben ihn an die Schnapskirche weitervermittelt.« Er sah auf Rebus' Glas. »Herrgott, das war flott. Hier, nehmen Sie noch eins.« Die Bardame hatte schon
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