Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
zwei von der Trachtengruppe. Der Beifahrer drehte sich nach hinten um.
»Ist das nicht da, wo Uncle Joe wohnt?«
Rebus nickte. Die Trachtengruppier tauschten einen Blick.
»Fahren Sie mich einfach hin«, befahl Rebus.
Auf den Straßen war viel los, alle wollten nach Hause. Gummi-Glasgow dehnte sich nach sämtlichen Himmelsrichtungen aus. Die Siedlung, die sie schließlich erreichten, sah nicht viel anders aus als eine vergleichbar große Siedlung in Edinburgh: grauer Kieselrauputz, kahle Spielplätze, Asphalt, ein paar stark gesicherte Geschäfte. Kids auf Fahrrädern, die stehen blieben, um den vorbeifahrenden Streifenwagen zu beobachten, scharfäugig wie Wachposten; Kinderwagen, hastig geschoben von unförmigen Müttern mit blondiertem Haar. Und langsam tiefer in die Siedlung hinein: Leute, die aus ihren Fenstern glotzten, Männer an Straßenecken, gemurmelte Gesprächsfetzen. Eine Stadt für sich, einförmig und entnervend, ausgelaugt, nichts mehr übrig als Starrsinn: an einer Giebelwand die Worte NO SURRENDER, »Keine Kapitulation«, ein Slogan aus dem protestantischen Ulster, der hier ebenso sehr seine Gültigkeit hatte.
»Werden Sie erwartet?«, fragte der Fahrer.
»Ja.«
»Na, wenigstens etwas.«
»Sind sonst noch Streifenwagen in der Gegend?«
Der Beifahrer lachte nervös. »Das hier ist Grenzland, Sir. Das sorgt selbst für Ruhe und Ordnung.«
»Wenn Sie sein Geld hätten«, fragte der Fahrer, »würden Sie dann hier wohnen?« Q »Er ist hier geboren«, antwortete Rebus. »Und ich vermute, sein Haus ist schon was Besonderes.«
»Was Besonderes?« Der Fahrer schnaubte verächtlich. »Na, dann sehen Sie selbst.«
Er brachte den Wagen an der Mündung einer Sackgasse zum Stehen. Am anderen Ende erkannte Rebus zwei identische aneinander gebaute Häuser, die sich in einer einzigen Hinsicht von ihren Nachbarn unterschieden: Sie waren mit Steinplatten verkleidet.
»Eins von den beiden?«, erkundigte sich Rebus.
»Sie haben die Wahl.«
Rebus stieg aus, streckte dann wieder den Kopf hinein. »Wagen Sie es ja nicht wegzufahren.« Er knallte die Tür zu und ging zum Ende der Sackgasse. Er entschied sich für die linke Doppelhaushälfte. Die Tür öffnete sich, und ein Hüne von Mann in einem eng anliegenden T-Shirt ließ ihn ein.
»Sind Sie der Polyp?« Sie standen in einer schmalen Diele. Rebus nickte. »Da lang.«
Rebus öffnete die Tür zum Wohnzimmer und stutzte. Die Verbindungswand zwischen den zwei Haushälften hatte man eingerissen, so dass ein doppelt so großer, durchgehender Wohnbereich entstanden war. Der Raum dehnte sich außerdem weiter nach hinten aus. Rebus fühlte sich an Dr. Whos Tardis-Maschine erinnert, und da sich sonst niemand im Zimmer befand, ging er nach hinten durch. An das ursprüngliche Haus war ein großer Anbau angefügt worden, dazu noch ein ansehnlicher Wintergarten. Eigentlich hätte es kaum noch Platz für einen Garten geben dürfen, aber der Rasen war mehr als großzügig bemessen. Das Grundstück grenzte im hinteren Teil an einen Sportplatz, und Rebus sah, dass Uncle Joe einen Teil davon für sich abgezwackt hatte.
Eine amtliche Genehmigung hätte es dafür natürlich nie gegeben. Aber wer benötigte schon eine amtliche Genehmigung?
»Ich hoffe, Sie brauchen sich die Ohren nicht zu putzen«, sagte eine Stimme. Rebus drehte sich um und erblickte einen kleinen, gebeugten Mann, der in der einen Hand eine Zigarette hielt, während er sich mit der anderen auf einen Gehstock stützte. Er schlurfte in Pantoffeln zu einem ramponierten Sessel, ließ sich hineinfallen, legte die Hände auf die schmuddeligen Spitzendeckchen und den Gehstock quer über den Schoß.
Rebus kannte Fotos von dem Mann, aber auf die Wirklichkeit hatten sie ihn nicht vorbereitet. Joseph Toal sah wirklich wie jemandes Onkel aus. Er war in den Siebzigern, stämmig und hatte die Hände und das Gesicht eines ehemaligen Bergarbeiters. Seine Stirn sah aus wie ein Waschbrett aus fleischigen Falten, und sein schütteres graues Haar war zurückgekämmt und mit Brillantine angeklatscht. Er hatte einen kantigen Unterkiefer und wässrige Augen. Seine Brille hing an einer Schnur vor seiner Brust. Als er die Zigarette an die Lippen führte, bemerkte Rebus nikotingelbe Finger mit schwärzlich eingewachsenen Nägeln. Er trug eine unförmige Strickjacke über einem gleichermaßen unförmigen Sporthemd. Die Strickjacke war geflickt und teilweise ausgefranst. Seine ausgebeulte braune Hose hatte Schmutzflecken an den
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