Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
jetzt gehen, Sir?«
»Nein.« Carswell hatte den Aktendeckel wieder aufgeschlagen, während Rebus sich bemühte, seine Herzfrequenz zu senken. Carswell las eine Notiz, sprach, ohne den Blick zu heben.
»Was hatten Sie heute Vormittag in Ratho zu suchen?«
»Sir?«
»Eine Leiche wurde aus dem Kanal gezogen. Ich habe erfahren, dass Sie da waren. Nicht direkt Craigmillar, stimmt's?«
»Ich war zufällig in der Gegend.«
»Und haben offenbar die Leiche identifiziert?«
»Ja, Sir.«
»Sie sind ja ein richtiger Tausendsassa.« Hohntriefend. »Woher kannten Sie ihn?«
Beichten oder keinen Piep mehr sagen? Weder noch. Heucheln. »Ich habe ihn als einen unserer Spitzel wieder erkannt, Sir.«
Carswell hob die Augen. »Wessen speziell?«
»DI Flowers.«
»Wollten Sie ihm ins Handwerk pfuschen?« Rebus hielt den Mund und überließ es Carswell, seine Schlüsse zu ziehen. »Und das genau an dem Morgen, an dem er in den Kanal plumpst... seltsamer Zufall, wie?«
Rebus zuckte die Achseln. »So was kommt vor, Sir.« Er starrte Carswell in die Augen. Sie versuchten, sich gegenseitig zum Wegsehen zu zwingen.
»Wegtreten, Inspector«, sagte Carswell.
Rebus blinzelte erst, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte.
Er rief von Fettes aus St. Leonard's an; seine Hand zitterte. Aber Gill war nicht da, und kein Mensch schien zu wissen, wo sie sich aufhielt. Rebus bat die Telefonzentrale, sie an-zupiepen, ließ sich dann mit dem CID verbinden. Siobhan nahm ab.
»Ist Brian da?«
»Ich hab ihn seit ein paar Stunden nicht mehr gesehen. Kochen Sie beide was aus?«
»Das Einzige, was hier kocht, ist der Schweiß in meinen Schuhen. Wenn Sie ihn sehen, sagen Sie ihm, er möchte anrufen. Und richten Sie das Gleiche Gill Templer aus.«
Er legte auf, bevor sie ein Wort sagen konnte. Wahrscheinlich hätte sie ihre Hilfe angeboten, und das Letzte, was Rebus im Augenblick brauchte, war ein weiterer Beteiligter. Er log, um sich zu schützen... log, um GillTempler zu schützen... Gill... er musste ihr ein paar Fragen stellen, dringende Fragen. Er versuchte, sich an ihre Privatnummer zu erinnern, hinterließ ihr eine Nachricht auf dem AB, probierte es dann mit Holmes' Privatnummer. Wieder ein Anrufbeantworter, gleiche Nachricht: Bitte sofort anrufen.
Warte. Denk nach .
Er hatte Holmes gebeten, sich mit dem Spaven-Fall vertraut zu machen, und das bedeutete, die Akten zu studieren. Als die Wache an der Great London Road abgebrannt war, hatte es auch einen Haufen Akten erwischt, aber nicht die älteren, denn zu dem Zeitpunkt waren diese bereits aus Platzmangel ausgelagert worden. Sie wurden zusammen mit den uralten Fällen, all den klappernden, morschen Skeletten, in einer Lagerhalle in der Nähe von Granton Harbour aufbewahrt. Rebus war davon ausgegangen, dass Holmes die Unterlagen mitnehmen würde, aber vielleicht hatte er's ja nicht getan...
Von Fettes zum Lager waren es zehn Minuten. Rebus schaffte es in sieben. Als er Holmes' Auto auf dem Parkplatz erkannte, gestattete er sich ein Grinsen. Er ging zum Haupteingang, zog die Tür auf und trat in einen riesigen dunklen, hallenden Raum. In Reih und Glied stehende grüne Metallregale zogen sich über die ganze Länge der Lagerhalle hin, voll gestellt mit robusten Pappkartons, in denen die Geschichte der Polizei von Lothian und Borders - und, bis zu deren Auflösung, der Polizei von Edinburgh -, von den Fünfziger- bis zu den Siebzigerjahren vor sich hin moderte. Es kamen immer noch Dokumente an: Kisten mit daran befestigten Schildchen warteten darauf, ausgepackt zu werden, und es sah so aus, als zeichnete sich allmählich ein Wechsel ab: An die Stelle der Pappkartons traten immer häufiger verschließbare Plastikboxen. Ein kleiner, älterer Mann, sehr gepflegt, mit einem schwarzen Schnurrbart und dicken Brillengläsern, kam Rebus entgegenmarschiert.
»Ja, kann ich Ihnen behilflich sein?«
Der Mann war der Inbegriff des Verwaltungsmenschen. Wenn er nicht zu Boden sah, starrte er an Rebus'
rechtem Ohr vorbei in die Ferne. Er trug einen grauen Nylonkittel über einem weißen Hemd mit abgewetztem Kragen und grüner Tweed-Krawatte. Aus seiner Brusttasche ragten Kulis und Bleistifte hervor.
Rebus zeigte seinen Dienstausweis. »Ich suche nach einem Kollegen, DS Holmes, ich glaube, er sieht sich irgendwelche alten Akten an.«
Der Mann prüfte den Dienstausweis eingehend. Dann ging er zu einem Klemmbrett und notierte Rebus' Namen und Dienstgrad sowie Datum und Uhrzeit seiner
Weitere Kostenlose Bücher