Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
Vom Netzwerk:
für asiatische Kleidung, den es in Kingsmarkham gab.
    »Diese Sachen sind zwar nicht für Afrikanerinnen gedacht, aber wir tragen ziemlich ähnliche Kleidungsstücke«, erklärte sie Wexford. »Ich habe mir für die Hochzeit meiner Nichte einen Salwar Kameez gekauft. Sie heiratet nächsten Samstag in St. Peter einen sehr gut aussehenden Engländer.«
    Wexford konnte sein Erstaunen nicht verbergen.
    »Sie ist Christin, Mr. Wexford. In Somalia gibt es alles, sogar Animisten.«
    Letztere verehrten seines Wissens Steine und Bäume, aber vielleicht irrte er sich auch, und deshalb beließ er es dabei. »Werden die Imrans auch dabei sein?«
    »Bei der Hochzeit? O nein, das bezweifle ich. Meine Schwester und ihr Mann kennen sie kaum, und meine Nichte überhaupt nicht.«
    »Aber bis dahin werden sie wieder zurück sein?«
    »Ich denke schon. Soweit ich weiß, werden sie für Donnerstag zurückerwartet.«
    Auf seinem Rückweg zum Polizeirevier kam er an dem Lokal Auf der Suche nach Indien vorbei. Bei einem flüchtigen Blick durch die Fensterscheiben entdeckte er hinter den Glitzergardinen und den künstlichen Lilien Matea beim Tischdecken. Um vierzehn Uhr erwartete er Bridget Cook in seinem Büro. Williams, der scheinbar vornamenlose Partner, hatte gegen ihre Reise nach Kingsmarkham nichts einzuwenden gehabt, obwohl Wexford bezweifelte, dass sie ihm den wahren Grund für ihre Fahrt genannt hatte. Während er wartete, dachte er über Menschen nach, die sich ohne zwingenden Grund ins Gefängnis begeben. Nur um nicht allein sein zu müssen, hatte sich diese Frau einen eifersüchtigen Gefängniswärter als Mann aufgehalst. Tredown hatte sich von zwei Ehefrauen, die in ihm nur einen Arbeitssklaven für ihre Bedürfnisse sahen, unter Hausarrest stellen lassen, obwohl ihm beide Frauen offensichtlich herzlich wenig bedeuteten. Jetzt sollte Der erste Himmel verfilmt werden. Tredown war mit Sicherheit üppig bezahlt worden, und noch seine Witwe und die Exfrau würden in den Genuss von Tantiemen kommen. Trotzdem war es ihnen egal, ob er lebte oder starb.
    Hannah brachte Bridget ins Büro. Bei ihrem Anblick fiel ihm ein altmodischer Ausdruck ein: »knochig«, eine Beschreibung, die jeder verstand, auch wenn sie scheinbar nichts zu bedeuten hatte. Obwohl Bridget nicht dünn war, schienen ihre Knochen unter der Haut hervorzutreten. Sie hatte Hände wie ein Mann, zu denen der Ring mit dem zierlichen Laubmuster an ihrer Linken nicht passen wollte. Sie setzte sich schwerfällig, zuckte aber zusammen, als ihr Wexford das Messer zeigte.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie, »ich habe es nur einmal gesehen. Es lag an den Kumpels, mit denen er herumhing, dass er ein Messer brauchte. Die waren eine harte Truppe. Er hat gemeint, er bräuchte es zu seinem Schutz. Trotzdem hat er es nie benutzt. Da bin ich mir sicher; das hat er nie gemacht.«
    »Sie sagten, er sei ein Dichter gewesen. Er habe für Sie Gedichte geschrieben.« Wexford war sich bewusst, wie absurd diese Szene auf einen unbeteiligten Zuschauer gewirkt hätte. Diese Frau und Poesie konnte man nur schwer zusammenbringen, ohne schallendes Gelächter zu ernten. Und doch wusste er, dass die Liebe sich weder um Schönheit noch um Grazie schert. Wie der Wind, der weht, wo er will, kann sie fast jeden treffen und einen für fast jeden begeistern. Die Menschen brauchen keinen Liebestrank, um sich in einen Eselskopf zu verlieben. Er bemerkte, wie sie ernst nickte und damit signalisierte, dass sie der ihr gewidmeten Verse würdig gewesen war. »Hat er sonst noch etwas geschrieben?«, wollte er wissen. »Ein Theaterstück? Einen Roman?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht. Er hatte keine Schulbildung. Trotzdem hat er mir erzählt, er hätte mal ein Buch geschrieben. Gedichte und eine Art Tagebuch, hat er gemeint.«
    »Miss Cook, wann sind Sie Samuel Miller zum ersten Mal begegnet?«
    »Das müsste irgendwann 98 gewesen sein. Ungefähr im Winter ist er bei mir eingezogen. Damals haben wir in der Nähe von Southend kampiert. Zwischendurch ist er mal kurz verschwunden, aber immer wiedergekommen. Im Juni sind wir zum Erdbeerpflücken in die Nähe von Hereford, und er hat gemeint, bei Morella’s in Flagford würden sie für September Pflücker suchen. Damals hat er auch gesagt, am besten wär’s, wenn wir heiraten würden. Ich hab gesagt, ich sei doch einige Jahre älter als er, aber er hat gemeint: Na und? Er hätte immer eine Schwäche für ältere Frauen gehabt.«
    Wexford dachte an Claudia Ricardo.

Weitere Kostenlose Bücher