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Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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Wexford.
    »Hätten wir das doch nur gewusst«, meinte sie wie zu sich selbst. »Deshalb ist er nie mehr gekommen. Ich dachte wirklich, er würde wiederkommen.«
    In dem Moment schoss es ihm durch den Kopf, dass diese auf bizarre Weise attraktive Frau mit Miller ein Verhältnis gehabt hatte. Vielleicht nicht 1998, aber drei Jahre vorher. In Jeans und einem eng anliegenden roten Pulli sah sie jünger aus als mit ihren langen Röcken und dem Patchworkmantel im Hippiestil. Sie strich sich mit den Händen durchs Haar. Durch diese Bewegung strafften sich ihre Wangen, und ihr Gesicht bekam etwas Jugendliches. Eine Weile war sie stumm. Offensichtlich dachte sie über etwas nach und meinte dann: »Was ist mit dem Geld passiert?«
    »Mit den tausend …« Er tat so, als sei ihm diese Bemerkung versehentlich entschlüpft. »Ich meine, mit den hundert Pfund als Hochzeitsgeschenk?«
    Sie gehörte nicht zu den Frauen, die erröten. Stattdessen verengten sich ihre Augen.
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen, Miss Ricardo«, meinte er. »Jetzt sind Sie an der Reihe, mir etwas zu erzählen. Hatte Miller, als er vor elf Jahren zu Ihnen kam, um für Sie als Hausmeister und Chauffeur zu arbeiten, Mr. Tredown ein Romanmanuskript zum Lesen mitgebracht?«
    Ihr Gesicht hatte einen seltsamen Ausdruck angenommen. Berechnend und verschlagen. »Wie kommen Sie auf diese Frage?«
    »Vielleicht würden Sie mir einfach eine Antwort geben.«
    »Nur, wenn wir uns irgendwo setzen können. Ein kleines Stelldichein gefällig? Das ganze Haus ist eine einzige Müllgrube, aber im Schlafzimmer ist es noch am besten.«
    Es roch unangenehm nach alter Kleidung und Mottenkugeln. Mäuse hatten die alte Schafwollmatratze angeknabbert. Schon manchmal hatte Wexford ein seltsamer Gedanke beschlichen: Wie konnten Nagetiere unappetitliche Substanzen ohne jeden Nährwert fressen und davon sichtbar gedeihen? »Vielleicht würden Sie mir jetzt eine Antwort geben«, wiederholte er.
    Sie zuckte die Schultern. Es wirkte gleichgültig und betroffen zugleich. Ihm fiel ihr langer Hals auf, ein beneidenswertes Merkmal bei Frauen. »Je nun, die Leute haben ihm ständig Manuskripte geschickt.« Es klang verächtlich. »Das kam daher, dass er Kurse für Kreatives Schreiben gegeben hat. Da sind sie nun in ihrem Wahn hingegangen und haben sich für seine Kurse eingeschrieben, diese armen Geschöpfe, und meistens haben sie sich auch noch in ihn verknallt. Früher hat er mal ziemlich gut ausgesehen – wir waren als hübsches Paar bekannt. Würden Sie das glauben?« Als sie sah, dass Wexford ihr nicht antworten wollte, fuhr sie achselzuckend fort: »Selbstverständlich hat er das alles nur wegen des Geldes getan. Es blieb ihm nichts anders übrig. Ich habe nie gearbeitet – wussten Sie das? Nie. Maeve schon, sie war irgendwo Sekretärin. Mir dagegen hat das Arbeiten nie Spaß gemacht. Dafür muss man morgens immer so früh aufstehen. Owens Bücher haben nicht viel eingebracht. Nach dem Unterricht sind die Leute heimgegangen und haben irgendetwas hingekritzelt, meistens einen doofen Zweitaufguss oder etwas unvorstellbar Langweiliges . Dieses Zeug haben sie ihm dann geschickt und um seine Beurteilung gebeten. Wir haben uns scheiden lassen, und er hat Maeve geheiratet. Sie bekam aus irgendeiner Quelle Geld, nicht viel, aber besser als nichts. Maeve und ich haben uns gegenseitig immer Teile aus diesen Manuskripten laut vorgelesen und uns darüber schiefgelacht. Es war höchst amüsant. Owen hat alle gelesen. Ihm taten die Leute leid, die so etwas geschrieben hatten, und er hat bei der Rücksendung viel Geld fürs Porto ausgegeben.«
    »Und Miller? Hatte er ein Manuskript mitgebracht?«
    »Das haben Sie mich schon mal gefragt«, stellte sie fest. »Vielleicht. Woher soll ich das wissen? Owen hat mir gegenüber nichts davon erwähnt. Er mochte es nicht, wenn wir uns über die Leute lustig machten. Der arme alte Zausel hat ein weiches Herz. Deshalb hat er es vielleicht verheimlicht. Damals ist er natürlich noch gesund gewesen.«
    Wexford kam ins Grübeln. Welche Information beziehungsweise welche seiner Fragen hatte dazu geführt, dass sich ihre Laune seit seiner Ankunft derart verbessert hatte? Zuvor hatte sie angespannt und besorgt gewirkt, während sie jetzt beschwingt ausschritt und jünger aussah. Inzwischen mochte man gern glauben, dass sie vor elf Jahren die Geliebte eines Zweiunddreißigjährigen gewesen war.
    »Ich fahre jetzt Owen besuchen«, meinte sie im Plauderton. »Natürlich

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