Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote
Natürlich arbeiten jetzt in diesem Oxfam-Laden andere Leute. Außerdem würde sich sowieso niemand so weit zurückerinnern. Schließlich führt man dort nicht exakt Buch über die verkauften alten Klamotten.«
»Du glaubst also nicht, dass es sich um Douglas Chadwick handelt. Stimmt’s?«
»Nein, glaube ich nicht«, erwiderte Wexford. »Warum sollte der alte Grimble seinen Untermieter umbringen? Und um gleich weiterzumachen: Warum hätte der junge Grimble ihn umbringen sollen? Der Alte wollte ihn loswerden und sein Geld bekommen, und genau das hätte er durch einen Mord nicht erreicht. Und was das Geld betrifft, so hatte er das Klavier zum Verkaufen. Darauf hatte man sich vermutlich geeinigt. Ich hau ab, hat der Untermieter vielleicht gesagt. Sie behalten so viel von meinen Sachen, wie Sie zur Tilgung der Schulden brauchen, den Rest stellen Sie vors Haus, und anschließend kommt mein Kumpel und holt es mit seinem Lieferwagen ab. Und genau das hat der alte Grimble gemacht. Meiner Meinung nach ist Chadwick außen vor. Ich glaube, Chadwick steckt irgendwo da draußen – in Wales, im Norden von Schottland oder auf den Scilly-Inseln, spielt in einer Hotelhalle Klavier oder arbeitet in einer Werkstatt. Oder er studiert weiter Maschinenbau an einer Universität in Nordirland.«
»Sagtest du Douglas Chadwick?«
Langsam drehte sich Wexford um und lächelte Jenny Burden an. »Ja, sagte ich«, antwortete er. »Jetzt behaupte nur noch, dass du ihn kennst, Jenny. Liefere uns doch die Erkenntnis, die wir so bitter nötig haben.«
»Also, wenn es derselbe ist, dann habe ich mal einen Douglas Chadwick gekannt. Seine Schwester war Lehrerin an der ersten Schule, an der ich unterrichtet habe. Er hat als Jazzpianist in einem Club gespielt. Ich meine, als Amateur.«
»Klingt, als wäre es derselbe. Wann war das?«
»Mal sehen. Meine erste Stelle hatte ich an einer Schule in Lewes. Das war vor meiner Zeit in Kingsmarkham, müsste also fünfzehn Jahre her sein. Helene Chadwick und ich sind oft in diesen Club gegangen, um Douglas spielen zu hören. Einmal sind wir alle zusammen essen gegangen, ich glaube in ein Pub. Anschließend habe ich meine Stelle an der Kingsmarkhamer Gesamtschule bekommen.«
»Und wo steckt er jetzt?«, wollte ihr Mann wissen.
»Keine Ahnung. Ich weiß nur, wo sie steckt. Und du übrigens auch. Genau wie ich hat sie geheiratet und heißt jetzt Helen Carver.«
»Du meinst die Frau, die uns besucht hat und dabei diese schrecklichen Kinder mitgebracht hat, die meine ganzen Dahlien geköpft haben?«
»Genau die, ja.«
Lachend warf Wexford ein: »Ich bin Feminist. Ich halte nichts davon, wenn Frauen bei der Heirat ihren Namen ändern. Das schafft nur unnötig Verwirrung. Jenny, was ist mit dem Bruder passiert?«
»Damals, als ihre Kinder Mikes Dahlien guillotiniert haben, hat sie ihn nicht erwähnt. Ich könnte sie fragen. Ich könnte sie anrufen – tja, sofort.«
»Verkneif dir jegliche Einladungen«, rief Burden.
Es war zwanzig Uhr dreißig. Jenny zog ihr Handy aus der Handtasche und trat in die feuchte Dunkelheit des Gastgartens hinaus. Drinnen im Nebenzimmer begannen Wexford, Burden und Dora über den derzeitigen Wohnsitz von Douglas Chadwick zu spekulieren, wobei Wexford halb hoffte, Helene Carver würde sagen, sie habe ihren Bruder seit April 1996 nicht mehr gesehen. Er sei wie vom Erdboden verschluckt. Damit wäre eines seiner Probleme gelöst.
Als Jenny zurückkam, sah sie ganz anders aus als die ziemlich begeisterte Frau, die mit einem optimistischen Lachen im Garten verschwunden war. »Ich habe mit ihr gesprochen und gemeint, ich hätte gehört, Douglas würde nächsten Monat bei einem Festival in einem Alternativtheater spielen, und dachte mir, wir könnten vielleicht hinfahren. Lieber Gott, hätte ich das nur nicht getan. Sie hätte fast geweint. Sie hat gesagt, er sei vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
10
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Helen Carver hatte den Verlust ihres Bruders beweint, im Gegensatz zu Dilys Hughes, der das negative Ergebnis des DNA-Vergleichs offensichtlich egal war. Als Barry Vine eintraf und bei ihr klingelte, hatte sie gerade die Sunday Times gelesen und nur widerwillig beiseitegelegt. »Ich habe ihn schon seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen«, sagte sie, »und wenn ich etwas von ihm gehört habe, dann immer nur, wenn er etwas von mir gewollt hat.« Sie forderte Barry nicht auf, Platz zu nehmen. »Ehrlich gesagt hätte es mir nicht das Herz gebrochen, wenn er
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