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Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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Immer wieder betonte sie, Kleidungsstücke wie auf seinem Foto würde ihr Geschäft nicht führen und hätte es auch nie getan. So etwas Hässliches, meinte sie, würde der Kundschaft nicht gefallen.
    Er gab auf und konzentrierte sich auf die letzten Namen auf seiner Liste, die Tredowns. Sie wohnten unmittelbar neben Grimble’s Field. Auf der Westseite von Athelstan House musste man im oberen Stockwerk von allen Fenstern aus einen Blick auf das Nachbargrundstück haben. Während der Rückfahrt nach Flagford dachte er darüber nach, was Bill Runge gesehen hatte, und was es bedeutete. Der Mann aus dem Keller hatte dieses T-Shirt getragen. Deshalb stand fast hundertprozentig fest, dass der Mann aus dem Keller ein Saisonarbeiter gewesen war, der noch kurz vorher in Flagford gesehen worden war. Nur fast? Es war unerlässlich, sich noch einmal zu vergewissern. Er fuhr vor Owen Tredowns Haus vor und parkte direkt vor dem Eingang.
    Burden befand sich mit Lyn Fancourt in dem Bungalow namens Sunnybank . Sie waren ins Schlafzimmer gegangen und musterten nachdenklich den Inhalt des Kleiderschranks. Lyn nahm jedes Stück einzeln heraus und legte es aufs Bett. Als sie zu dem Sportsakko aus braunem Tweed mit Lederflicken am Ellbogen kam, bremste Burden sie, stülpte einen Handschuh über seine rechte Hand und tastete in den Taschen herum. Dabei förderte er eine Uhr aus Weißmetall mit einem abgetragenen Lederband, eine genauso abgeschabte Brieftasche und zwei Schlüssel an einem Ring zutage.
    »Deshalb haben die McNeils beim Durchsuchen seiner Kleidung nichts gefunden«, stellte Burden fest.
    »Nur tausend Pfund, Sir.«
    »Ja, in seiner Jeanstasche. Sieht aus, als hätte er das Geld gerade erst bekommen und in seine Jeanstasche gestopft. Vielleicht bildete er sich ein, nahe an seinem Körper wäre es sicherer als in den Anoraktaschen, wo er mit Sicherheit die Brieftasche und die Schlüssel transportiert hatte.«
    »Aber warum hat er das ganze Zeug in fremder Leute Taschen gesteckt?«
    »Eigentlich wollte er sich doch waschen. Deshalb hat er seine Uhr abgelegt. Meiner Ansicht nach ist Folgendes passiert: Er hat sich bis auf die Unterwäsche ausgezogen und seine Jeans mit den tausend Pfund – hatte er momentan vergessen , dass sie drinsteckten? –, seinen Anorak, das T-Shirt und seine Turnschuhe auf die Küchenanrichte gelegt. Anschließend nahm er seine Brieftasche – vielleicht hat er sich eingebildet, er hätte das Geld schon hineingelegt – und die Schlüssel mit ins Schlafzimmer und öffnete den Schrank. Als einziges Kleidungsstück gefiel ihm dieses Sportsakko, obwohl der ganze Schrankinhalt vermutlich besser in Schuss war als alles, was er am Leib trug. Vielleicht hätte er auch noch einen Regenmantel mitgenommen. Er zog seine Uhr aus und steckte sie zusammen mit der Brieftasche und den Schlüsseln in eine der Taschen des Sakkos, das er nach dem Waschen anziehen wollte. Wahrscheinlich wollte er auch das T-Shirt wieder anziehen und mit Sicherheit auch die Jeans mit dem Geld. Die Hosen des alten Grimble wären ihm zu kurz gewesen. Noch ehe er dazu kam, spazierte der noble McNeil herein und erschoss ihn.«
    »Kein Messer, Sir.«
    »Kein Messer«, wiederholte Burden.
    Owen Tredown persönlich bat ihn herein. Damon hatte noch nie einen so krank aussehenden Menschen getroffen, der sich trotzdem immer noch auf den Beinen hielt. Tredown wirkte gespenstisch, ein ausgemergeltes Geschöpf, das die Hälfte seiner Substanz eingebüßt hatte. Er war bis aufs Skelett abgemagert. Unter seinem dünnen Hemd zeichneten sich deutlich die Rippen ab. Seine Gesichtsfarbe erinnerte an altes vergilbtes Papier. Zur Begrüßung reichte er Damon eine Hand wie eine Vogelklaue.
    »Nicht wahr, ich biete einen netten Anblick?«, sagte Tredown zu dem ihm gänzlich Unbekannten. »Wer mir im Finstern begegnet, rennt davon, als sei der Teufel hinter ihm her.«
    Damon nickte, rang sich ein Lächeln ab. »Offensichtlich geht es Ihnen nicht gut, Sir.« Konnte man noch mehr untertreiben? »Wäre es nicht besser, wenn Sie sich setzten?«
    »In einer Minute werde ich das auch tun. Ich will nicht aufgeben, bevor ich wirklich muss.« Sie betraten einen großen, schäbigen Raum. Die langen braunen Samtvorhänge sahen aus, als hätte sie jemand fieberhaft aufgerissen. »Ich habe das Schreiben aufgeben müssen«, sagte Tredown. »Das ist das Schlimmste. Wenn ich nicht schreiben kann, kann ich genauso gut tot sein.«
    Damon wusste nicht, was er sagen sollte. »Wie du

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