Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
Vom Netzwerk:
wieder übertreibst, Owen«, tönte es hinter der hohen Rückenlehne eines Sofas hervor. Damon zuckte zusammen. Nach der Stimme tauchte an derselben Stelle eine schwer beringte Hand auf und wackelte zur Begrüßung mit langen Fingern.
    Tredown hatte in einem Sessel Platz genommen und wies Damon einen anderen zu. Jetzt tauchte die Besitzerin der Stimme auf, eine große Frau mit mädchenhaft langen dunklen Haaren und dem faltigen Gesicht einer alten Frau. Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Hallo, wir kennen uns nicht. Ich bin Claudia Ricardo. Sagen Sie, finden Sie es eigentlich schwierig, in einer Umgebung wie dieser schwarz zu sein?«
    »Claudia, lass das«, tadelte Tredown milde.
    Damon antwortete ihr nicht. Selbst wenn es ihn seinen Job kosten sollte, würde er sich eine Antwort verkneifen. Er zog das Foto mit dem T-Shirt aus seiner Brieftasche. In dem Moment betrat eine kleine rundliche Frau in einem grauen Wollkleid den Raum. Beim Anblick des Fotos blieb sie stehen – weil sie es erkannt hatte?
    »Wie scheußlich«, rief sie verächtlich.
    Die andere Frau, die kaum ihr Kichern unterdrücken konnte, sagte: »Das ist Maeve, mein Schwiegerweib. Die derzeitige Mrs. Tredown.« Als bestünde auch nur die entfernte Möglichkeit, dass das fragile Wrack im zweiten Sessel wieder heiraten könnte. »Er ist Polizist, auch wenn man ihm das nicht ansieht. Findest du nicht auch?«
    »Hat jemand von Ihnen dieses Kleidungsstück schon einmal gesehen?« Langsam verließ Damon der Wille zur Höflichkeit.
    »Was ist das?« Dieser Satz kam von Claudia Ricardo. »Würde ein vernünftiger Mensch tatsächlich so etwas anziehen?«
    »Jemand, der keinen Geschmack hat, vielleicht schon«, erwiderte Maeve.
    Damon fand diese Bemerkung ziemlich stark, noch dazu von einer Frau, die für die Einrichtung dieses tristen Zimmers verantwortlich war, dessen Kombination aus Braun- und Rottönen an Bratensaft, Ketchup und Spaghettisoße erinnerte. »Haben Sie es schon mal gesehen?«
    »Wo sollten wir das?«, erkundigte sich Tredown höflich. »Vielleicht könnten Sie unserem Gedächtnis auf die Sprünge helfen.«
    Dazu war Damon natürlich nicht bereit. Trotzdem ging er so weit zu sagen, sie hätten vielleicht jemanden damit auf Grimble’s Field gesehen haben können. »Vor einigen Jahren«, ergänzte er.
    Er beobachtete die Miene der Frauen und bildete sich ein, er könnte bei Claudia Verachtung und bei Maeve Vorsicht ablesen, auch wenn er das höchstens vermuten konnte. Wahrscheinlich war alles nur geraten. Mit Sicherheit hatte er sich geirrt, als er sich einbildete, er hätte in Maeve Tredowns Augen ein Wiedererkennen aufblitzen gesehen, als sie ins Zimmer gekommen war. Gerade als er dachte, er könne hier nichts mehr erreichen, überraschte ihn Tredown mit dem Satz: »Vielleicht habe ich es schon mal gesehen. Ja, ich glaube schon. Es ist ziemlich ungewöhnlich, oder? Lassen Sie mich nachdenken. Vor acht oder neun Jahren. Ich hatte droben gearbeitet. Ich habe diesen Mann vom Fenster aus gesehen. Auf der Straße, glaube ich, vielleicht auch im Garten.«
    »So weit zurück kannst du dich unmöglich erinnern. Du weißt doch, dass dein Gedächtnis kaputt ist. Das ist lächerlich.« Claudia Ricardo warf ihm einen Blick voll eisiger Verachtung zu.
    »Vielleicht kann ich es nicht«, sagte er. »Keine Ahnung. Ich bin so hundemüde.« Er schloss die Augen. Auf Damon wirkte er wie ein Toter. Sein wächsernes Gesicht erinnerte an einen Totenschädel. »Sie sagen, ich müsste zum Sterben nach Pomfret ins Hospiz«, sagte er, ohne die Augen zu öffnen.
    Beide Frauen standen offensichtlich ungerührt und stummda.

18
    _____
    Wexford wählte seine Worte sorgfältig. »Machen Sie sich innerlich gefasst, wollte ich Ihnen sagen, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob man sich auf so etwas gefasst machen kann. Der Tote, von dem ich Ihnen erzählt habe, ist Ihr Vater.« Er sah ihr in die Augen. »Es tut mir sehr leid. Viel mehr kann ich Ihnen nicht erzählen, nur dass sein Leichnam auf einem Grundstück in einem Dorf namens Flagford begraben wurde, an einem schönen ruhigen Platz, wenn Sie das irgendwie tröstet.«
    Selina Hexham stieß einen leisen Schrei aus. So schreit man vielleicht bei einem Stich. Sie saßen im Wohnzimmer von Haus in Barnes, jenes Hauses, das in der Kindheit ihr Zuhause gewesen war. Wexford vermutete ganz intuitiv, dass sich hier seit dem Tod ihrer Mutter nichts verändert hatte. Die Inneneinrichtung orientierte sich weniger an Stilfragen,

Weitere Kostenlose Bücher