Inspektor Bony 24 - Bony und die Maus
Sie gerade reiten?«
»Ja. Ihr Bruder hat mir erlaubt, sein Pferd jederzeit zu nehmen, wenn ich Lust habe. Ist er übrigens zu Hause?«
»Nein, er ist, glaube ich, zum Pastor gegangen. Es handelt sich wohl um einen Bericht über Tony Carr.«
»Und wie geht’s dem Jungen?«
»Was, um alles in der Welt … Kommen Sie sich etwa witzig vor?« Zorn sprühte aus ihren dunklen Augen, doch der Zorn sollte nur das Erschrecken verbergen.
»Carr muß mit dem Lastauto hergekommen sein – unter der Plane«, sagte Bony gelassen. »Er ist hier über den Hof gegangen und hat sich in der Futterkammer versteckt. Ich darf vermuten, daß Sie soeben mit ihm gesprochen haben.«
Esthers schön geformter Mund bebte, und ihre Hände zitterten so sehr, daß er ihr den Korb abnahm. Er fragte, wann sie erfahren hätte, daß Tony sich in dem Schuppen befand.
»Nach dem Frühstück. Ich holte die ersten Eier. Die Hennen legen dort immer gern. Und da sprach Tony mich an. Sie dürfen nichts verraten, Mr. Bonnar! Man muß dem Jungen doch helfen. Wir dürfen nicht zulassen, daß er gehetzt wird wie ein Dingo. Sie werden – Sie werden es nicht George erzählen, nein?«
»Es soll ein Geheimnis bleiben. Aber warum kommt er auf der Flucht gerade hierher zurück?«
»Er sagte mir, er wüßte keinen anderen Platz«, antwortete Esther Harmon. »Wenn ich ihm nicht helfen würde, hätte er niemanden, an den er sich wenden könnte. Er war noch in Georges Wagen sitzen geblieben, als das Benzin alle war, und als er dann das Lastauto kommen sah, verbarg er sich hinter einem Baum. Während der Fahrer anhielt, um zu sehen, wem das leere Auto gehören mochte, kletterte er unbemerkt hinten auf den Lastwagen und kroch unter die Plane. Er sagt, er hätte gewußt, daß es der Transport für Daybreak war.«
Inzwischen waren sie beim Eingang zur Küche angekommen, wo sie impulsiv seinen Arm ergriff und fragte: »Was werden Sie jetzt tun, Bonnar? Sie können ihn doch nicht George ausliefern!«
»Haben Sie ihm Essen gebracht?« Sie nickte. »Na, dann ist er ja vorläufig hier gut aufgehoben. In den Schuppen wird Ihr Bruder wohl kaum gehen. Wir müssen aber nachher mal überlegen, wie’s weitergehen soll.« Er klopfte ihr auf die Schulter. »Einmal hatte ich zu Ihnen gesagt, Sie hätten etwas Schlimmes getan, das nehme ich jetzt zurück.«
Bony holte sich aus dem Stall das Sattelzeug. Als er anschließend die Futterkammer betrat, sah er außer den Sacken und Bündeln dort alle möglichen ausrangierten Geräte liegen, die Carr ein sehr gutes Versteck boten.
»Ist alles in Ordnung, Tony«, sagte er in gemütlichem Ton, »ich habe bereits mit Miss Harmon über Sie gesprochen. Vorläufig sollen Sie hierbleiben und sich keinen Schritt vom Fleck rühren, bis wir Sie dazu auffordern, klar?«
Flüsternd kam die Antwort »Ja«.
Bony ging hinaus und scharrte im Gehen spielerisch Staub über die von Carr und Miss Harmon in der Nähe gemachten Fußspuren.
Als Bony am Pfarrhaus vorbeiritt, erschien Harmon an der Gartenpforte und forderte ihn mit erhobener Hand zum Anhalten auf. Bony sprang aus dem Sattel. »Mein Chef verlangt einen Führungsbericht über Carr, für die ganze Zeit, seitdem er hier ansässig ist«, begann Harmon. »Was halten Sie davon? Dabei ist Inspektor Mann doch von dem Material, das wir gegen Carr haben, vollkommen befriedigt! Die da oben bilden sich wohl ein, unsereiner hätte überhaupt nichts zu tun!«
»Haben Sie darüber mit dem Pastor gesprochen?« erkundigte sich Bony.
»Mußte ich ja. Er ist auch verpflichtet, etwas über Carr zu schreiben, aber es hat ja, offen gesagt, gegen Carr gar nichts vorgelegen, bis wir eben die Beweisstücke auf dem Dach seiner Hütte fanden. Ich denke mir, Inspektor Mann rechnet damit, daß der Anwalt, der Carr in dem kommenden Prozeß in Perth verteidigen wird, auf die straffreie Führung Carrs während seines hiesigen Aufenthalts ganz besonderes Gewicht legen wird.«
»Und was würde das helfen?« fragte Bony.
»Unter Umständen sehr viel. Wenn wir nämlich mal richtig Bilanz machen – gewiß, dann haben wir als Beweis die Schuhspuren und Gipsabgüsse und haben einzelne Gutachten darüber. Für den normalen Menschen reicht das doch wohl als Beweis. Was ist aber das Motiv? Wir vertreten die Ansicht, daß das Motiv im Grunde in der Geisteskrankheit des Mörders zu suchen ist, der sich schon gewalttätig gezeigt hat, bevor er nach Daybreak kam. Und wir können sagen, daß es für alle drei Morde kein anderes
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