Inspektor Bony 24 - Bony und die Maus
Stunde Vorsprung bewilligt, den die von Iriti entsandten Rächer erst am nächsten Tage eingeholt hatten. Sie werden also zugeben, Harmon, daß es wenig Sinn hätte, in diese Affäre noch amtlich einzugreifen. Oder sind Sie anderer Meinung?«
»Als ob ich nicht so genug zu tun hätte!« gab Harmon zurück.
»Ich habe auch schwer gearbeitet, Nat«, behauptete Esther Harmon vergnügt, als ihr Bruder und Bony sich ihr vorzüglich gekochtes Abendessen schmecken ließen. »Ich habe nämlich Melody Sam gebeten, er möchte Tony eine Stellung verschaffen, und er sagte: ›Gut, ich nehme ihn als Schankkellner.‹ Worauf ich erklärte, das ginge nicht, ich möchte Tony nicht in einem Gasthaus wissen, weder in seinem noch in einem anderen.«
Esthers dunkle Augen hatten ein ganz neues Leben bekommen, so glücklich war sie. »Schließlich erklärte er sich bereit, einem Vorschlag von mir zuzustimmen. Er wird nämlich sich selbst und sein Hotel von seiner Enkelin, also Mrs. Joyce, betreuen lassen, während Tony Carr den Fleischerladen bekommen soll, an dem Tag, an dem er Joy Elder heiratet.«
»Das ist fein, Esther. Sie gestatten mir gewiß, daß ich Sie Esther nenne, nach allem, was wir zusammen erlebt haben? – Und was haben Sie für George arrangiert?«
»Oh, der bleibt ja in Daybreak, nicht wahr, George?«
»Na, das ist noch gar nicht so sicher«, brummte Harmon.
»O doch, das ist es. Wie oft hast du mir schon gesagt, daß du nie von hier fortgehen möchtest, weil sonst kein Mensch in Daybreak die Kinder ordentlich erzieht!«
Über die Kuppe von Bulow’s Range strich der Ostwind herab, und nach den vielen windstillen Tagen war sein Spiel in den Laubkronen der Pfefferbäume ein angenehmes Geräusch.
Miss Jenks gratulierte Bony zu seinem Erfolg und bedauerte noch nachträglich, ihn bei seinem ersten Besuch in der Klinik so schroff behandelt zu haben.
Am schwersten wurde die Trennung von Melody Sam, der seinen ehemaligen Hausdiener beschwor, bei ihm im Hotel zu bleiben. Und jetzt erfuhr Bony, nachdem er sein Bündel gepackt und dem Wachtmeister das Zaumzeug zurückgegeben hatte, daß Sam im Keller unter der Kneipe hockte. Die Falltür war verriegelt. Sam spielte Geige. Bony blieb oben lauschend stehen. Die Musik verstummte, und unter den Planken der Kellertür ertönte es: »Oh, komm in meine Arme…«
»Kommen Sie lieber ‘rauf, Sam!« rief Bony.
Nach einer Pause dröhnte es herauf: »Gehen Sie nur, Nat, zurück in die Großstadt. Ich hatte Ihnen eine Dauerstellung geben wollen, hatte mich sogar entschlossen, Ihnen die verflixte Kneipe hier zu überschreiben. Und Sie haben es abgelehnt. Gehen Sie Ihres Weges.«
»Nicht, ehe Sie nach oben gekommen sind und mir Lebewohl gesagt haben, Sam.«
»Wenn Sie nicht gleich abhauen, sprenge ich Sie mitsamt dem Lokal und dem ganzen Kram in die Luft!«
»Können Sie gar nicht, Sam.«
»Und ob! Eine Kiste Dynamit habe ich hier, Sprengkapsel und Zündschnur ebenfalls. Brauche bloß ein Streichholz dranzuhalten.«
»Diesmal, Sam, habe ich Sie ‘reingelegt«, erklärte Bony. »Ich habe das ganze Dynamit ‘rausgenommen und Abfälle in die Kiste getan. Sehen Sie ruhig mal nach.«
Er vernahm unten lebhafte Bewegung, dann knarrten die Stufen der Kellertreppe, und die Klappe flog mit Schwung auf. Vor ihm stand Melody Sam, kerzengerade und fest, ein Mann wie ein Baum.
Langsam kam er, die knorrigen Hände ausstreckend, auf Bony zu. Sein weißes Haar war zerwühlt, der Schnurrbart zu lang. Und es war nicht Whisky, der seinen Blick so unnatürlich strahlend machte.
»Leben Sie wohl, Nat. Ich bin ein wenig müde«, sagte er. »Scheine alt zu werden. Kann doch nicht mehr soviel vertragen wie früher, es hat auch nicht mehr denselben Reiz. Meine letzte Tour war damals, als Sie gerade ankamen. Nun ist Kat nicht mehr hier, und Sie wollen fort. Leben Sie wohl, Nat, alles Gute!« Seine Stimme wurde zum Flüstern. »Raus jetzt aus meinem Lokal, Nat! Ich will Sie nie mehr sehen!«
ENDE
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