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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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In der Kirche selbst war niemand außer einem älteren Mann, der sich neben der Geldbüchse am Anfang des Mittelschiffs postiert hatte. Melrose angelte nach einem 10-Pence-Stück, das für den Blick auf Shakespeares letzte Ruhestätte zu entrichten war. Als würde man auf dem Jahrmarkt einmal Karussell fahren wollen, dachte er. Er kam sich wie ein Leichenfledderer vor; der Grabwächter schien jedoch anders darüber zu denken, denn er grinste Melrose breit an und hob die rote Samtkordel hoch.
    William Shakespeare muß ein Mann mit Geschmack gewesen sein. Wenn jemand ein in Marmor gehauenes Denkmal in Lebensgröße, einen kleinen Hund zu Füßen und einen Sarkophag in einer mit Samt ausgeschlagenen Nische verdient hatte, dann Shakespeare. Statt dessen gab es nur diese kleine Bronzetafel mit seinem Namen und den Namen anderer Familienmitglieder, die an seiner Seite ruhten. Melrose überkam eine für ihn ganz ungewöhnliche, fast religiöse Verehrung für dieses Genie, das auf jeden Pomp verzichtete.
     
    Bevor er das Kirchenschiff verließ, besichtigte Melrose noch den Chor und die ungewöhnlichen Holzschnitzereien an den Armlehnen des Chorgestühls. Während er die geschnitzten Gesichter, die kleinen Wasserspeiern ähnelten, bewunderte, machte er einen Schritt rückwärts und trat dabei gegen etwas, das sich bei näherer Betrachtung als die Rückfront eines Mannes herausstellte, der zwischen den Bänken herumkroch.
    «Oh, entschuldigen Sie», sagte der noch ziemlich junge Mann, während er sich aufrichtete und einen Riemen über seiner Schulter zurechtrückte, an dem ein ziemlich großer, quadratischer Kasten hing. Zuerst dachte Melrose, es wäre vielleicht irgendeine raffinierte Kameraausrüstung; dagegen sprach jedoch, daß der Kasten aus Metall war. Ein Geigerzähler vielleicht? Suchte der Bursche nach radioaktivem Material im Chor? «Haben Sie etwas verloren?» fragte Melrose höflich.
    «O nein, ich habe nur mal unter die Sitze geschaut.» Die Holzsitze konnten hochgeklappt werden, wenn sie nicht gebraucht wurden. Aber nicht alle befanden sich in dieser Position. «Nach den Schnitzereien. Es sind sogar welche unter den Bänken», erklärte er.
    «Sie meinen die Misericordi?»
    «Heißen sie so? Komische Dinger. Warum, zum Teufel, hat man sie dort unten angebracht?»
    «Kann ich Ihnen leider auch nicht sagen.»
     
    Melrose schätzte ihn auf Ende Dreißig, nicht ganz so jung, wie er ursprünglich angenommen hatte; er hatte sich wohl von dem jungenhaften Gesicht täuschen lassen, dessen Frische den Eindruck machte, als wäre es gerade mit einer harten Bürste geschrubbt worden. Er war ziemlich groß, hatte braunes Haar und sah nicht gerade elegant aus in seinem Seersucker-Anzug und der abscheulichen, gepunkteten Fliege. Er fuhr mit dem Finger am Kragenrand entlang wie ein Mann, der Krawatten verabscheut. Sein Akzent ließ auf Amerika oder Kanada schließen. Melroses Ohr war aber ohnehin nicht darauf gestimmt, den Unterschied zu hören. Höchstwahrscheinlich war er Amerikaner.
    «Sind Sie von hier?» fragte der Mann, als er Melrose durch das Mittelschiff folgte, am Hüter der Samtkordel vorbei.
    «Nein, nur zu Besuch.»
    «Ah, ich auch.» Es klang, als wäre er endlich in der unermeßlichen Einöde Stratfords auf einen Kameraden gestoßen, als würden alle Besucher dieser Stadt eine Wüste durchwandern. «Nette Kirche, nicht wahr?»
    «Ja, sehr nett.»
    Der Amerikaner blieb zwischen den Stühlen und den Gebetskissen stehen und streckte unversehens eine plumpe Hand mit spateiförmigen Fingern aus. «Harvey L. Schoenberg aus D.C.»
    «Ich bin Melrose Plant.» Er schüttelte dem Mann die Hand.
    «Und von wo?»
    «Northants. Das heißt Northamptonshire. Ist ungefähr neunzig oder hundert Kilometer von hier.»
    «Noch nie gehört.»
    «Das haben die wenigsten. Abgesehen von ein paar hübschen Dörfern in einer ganz hübschen Landschaft, gibt es dort keine besonderen Sehenswürdigkeiten.»
    «Na, hören Sie», sagte Harvey Schoenberg und stieß die schwere Kirchentür mit der Schulter auf. «Machen Sie es nicht schlechter, als es ist.» Er sagte das, als hätte Melrose seine Heimat in Verruf gebracht. «Ich wäre froh, wenn wir in D.C. einen solchen Juli hätten.»
    «Wo liegt denn dieses Disi?» fragte Melrose unsicher.
    Schoenberg lachte. «Sie kennen doch Washington, D.C?»
    «Ah, Ihre Hauptstadt.»
    «Ja-ah. Die Hauptstadt der guten alten Staaten. Aber ein furchtbares Klima, glauben Sie mir.»
    Melrose hatte gerade

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