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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Heterosexualität in Frage stellen. Das wäre blanker Unsinn.»
    Harvey schien überrascht. «Haben Sie die Sonette gelesen?»
    «Ja. In ihnen ist nur von Liebe, Treue –»
    «Ach, tatsächlich.» Er wandte sich dem Ishi zu und bewegte seine Finger so schnell, wie Melrose es noch nie gesehen hatte. Das winzige weiße Quadrat hüpfte hin und her, und Worte erschienen auf dem Bildschirm.
     
    War’s seiner Dichtung Prunkschiff, ohne Wanken
in siegessicherm Kurs auf deinen Wert,
was mir zerstört hat reifende Gedanken,
zur Gruft verkehrt den Schoß, der sie gebärt?
     
    Anscheinend hielt er das für einen schlagenden Beweis. «Wem der Schuh paßt … Aber darum geht es nicht. Verflucht, mir ist es völlig gleichgültig, was die Burschen im Bett getrieben haben. Aber wir wissen, daß Marlowe andersrum war.»
    «Wissen wir das?»
    «Sicher. Was zum Teufel hatte Ihrer Meinung nach diese Walsingham-Geschichte zu bedeuten? Oh, ich weiß, es gibt da eine Theorie, nach der Kit bei einer Auseinandersetzung wegen einer Dame von zweifelhaftem Ruf erstochen worden sein soll. Und es gibt auch noch diese Geschichte von der Bootspartie, bei der Marlowe es ganz besonders wild getrieben haben soll; er geriet in einen Streit und ging über Bord.» Harvey schnaubte und beförderte damit diese beiden Theorien ebenfalls über Bord. «Hören Sie, ob Sie’s glauben oder nicht: Tom Walsingham war Marlowes eigentlicher Freund. » Harvey zwinkerte und rückte seine fürchterliche Fliege zurecht. « Hero und Leander ist ihm gewidmet.» Harvey schob sein Glas beiseite und lehnte sich zu Melrose hinüber, als wären sie Spione auf einer heißen Spur. «Die Walsinghams hatten sehr viel Kohle und sehr viel Macht. Und Tommy-Boy hat Kit als Spitzel rekrutiert –»
    Melrose räusperte sich. «In welchem Jahrhundert leben wir, Mr. Schoenberg?»
    «Harv – ihn nach Spanien geschickt und dort in ein Kloster eingeschleust, wo er herausfinden sollte, was die Katholiken planten. Sie wissen schon, Maria, die Königin von Schottland und ihre Sippe.» Harvey lehnte sich zurück und trank von seinem Bier.
    «Der Name kommt mir bekannt vor.»
    Harvey richtete sich auf. «Nun? Kein Wunder, wenn Kit an Gott und der Welt zweifelte, als sie ihn in den Kerker warfen. Tom Walsingham hatte schließlich genügend Einfluß; er hätte all das verhindern können. Aber was tut er? Er läßt Kit die Sache allein ausbaden …» Harvey wedelte empört mit der Hand. «Wie die CIA oder M-5: ‹Wenn Sie geschnappt werden, Null-Null-Sieben, kennen wir Sie nicht.› In diesem Stil.»
    Entgegen seiner Absicht gab Melrose nicht nach. «Wir haben es mit einer Zeit außerordentlicher Konflikte zu tun, in politischer wie religiöser Hinsicht. Es war einfach nicht möglich, sich ungestraft die scheinbar ketzerischen Ideen eines Faustus zu eigen zu machen und privat dann die Katholiken in Spanien zu bespitzeln –»
    Harvey Schoenberg winkte ab. «Ach was. Zu allem Unglück brach dann auch noch die Pest aus. Eine Seuche – verdammt unangenehme Angelegenheit, so was.» Harvey studierte seine Fingernägel, als würde er dort nach Spuren suchen. «Ich weiß das alles auch. Aber, sehen Sie, an diesem Punkt gerieten die meisten, was Marlowes Tod betrifft, auf die falsche Fährte. Wer seinen Tod nicht für bloßen Zufall hält – Zufall! Haben Sie schon einmal gehört, daß jemandem zufällig ein Schwert ins Auge gerät?» Harvey schüttelte den Kopf über diese Sorte von Forschern, die statt eines Elefanten eine Mücke ausbrüteten. «Das können wir abhaken. Also, wer wußte, daß Kit ermordet wurde, machte den Fehler zu glauben, daß die Burschen, die sich in der Taverne von Deptford mit ihm anlegten, ihn aus politischen Gründen töteten; daß die befürchteten, Kit könnte im Falle einer Verhaftung auspacken und erzählen, was er über Walsingham und Raleigh und die ganze Affäre wußte.»
    Melrose hatte während dieses Vortrags das Etikett von seiner Bierflasche abgekratzt, eine unliebsame Angewohnheit, die er gewöhnlich unter Kontrolle hatte. «Ich nehme an, Sie sind da anderer Meinung?»
    Wieder beugte Harvey sich über den Tisch und senkte die Stimme. «Hören Sie, seit vierhundert Jahren versucht man herauszufinden, was sich in dieser Taverne in Deptford abgespielt hat. Die einzigen Zeugen – was für ein Pech – waren gleichzeitig die Hauptakteure. Da waren Poley, Skeres und Frizer. Und Marlowe, aber er war tot, der arme Kerl –»
    «Einer der größten, wenn nicht der

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