Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen
bewegte das bisschen Laub zu ihren Füßen, die wenigen weggeworfenen Papierfetzen, und ihr Haar, lang und locker fallend, schwebte empor wie ein Schleier.
»Wir müssen das besprechen, weißt du. Bei dir oder bei mir? Ich sagte doch, er lügt.«
»Nein, du sagtest, er redet bloß Scheiße.« Dies flüsterte er mit dem Mund so dicht an ihrem, dass es schien, als atmeten sie zusammen, als müssten sie sich den Sauerstoff in der Luft teilen. Er spürte dasselbe wie damals, als sie im Zetter Billys Zimmer betreten hatte.
»Zu dir oder zu mir?«, flüsterte sie.
»Zu mir«, sagte Jury, die Hand an ihrem Hinterkopf, ohne auf den Lichtspalt, das Flüstern, die Luft zu achten. Wieder hatte er dieses Gefühl von Atemlosigkeit.
Nackt, das Laken bis ans Kinn hochgezogen, rauchte sie eine Zigarette und beobachtete ihn durch den Rauchschleier. »Musst du irgendwohin?«
Er hatte Hosen, Unterhemd und Hemd angezogen, saß auf dem Bett und begann, das Hemd zuzuknöpfen. »Da ist noch dieser andere Fall, weißt du, und der erfordert gelegentlich meine Aufmerksam …«
Lu schlug ihm die Hand von den Knöpfen weg, packte den Kragen und zog sein Gesicht zu ihrem herunter. »Knöpf es wenigstens nicht zu.« Sie küsste ihn.
»Ist das also Liebe? Was?«
»Liebe? Ist es das, was du willst?«
Er lächelte und kam noch ein Stück näher, so dicht, dass er ihr mit den Lippen über die Wangen streichen konnte. Er sagte: »Ich will …«, dann küsste er ihren Nasenrücken und die andere Wange, ließ dabei gleichzeitig die Hand über ihren Arm und zu ihrer Hand hinaufgleiten. »Das!« Er schnappte sich die Zigarette und steckte sie sich in den Mund.
Sie schwang das Kissen herum und schlug lachend auf ihn ein. »Mehr bin ich also nicht für dich! Bloß ein Quell für all deine sündigen Süchte.«
»Ja, das kommt ungefähr hin.« Die Zigarette immer noch im Mund, stand er auf, knöpfte sich das Hemd zu. »Steh auf. Ich gehe rauf, mal nach Stone sehen.«
»Stone?«
»Ein Hund. Sein Herrchen treibt sich irgendwo in Europa rum. Er ist Musiker. Hat eine Band, spielt Gitarre. Bin gleich wieder da.« Er beugte sich herunter, küsste sie und ging.
Als er zurückkam, war sie verschwunden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Kleidungsstücke auf dem Fußboden, Umhängetasche und Schuhe sowie ihre verdammten Zigaretten waren samt und sonders eingesammelt worden und mit ihr verschwunden. Keine Spur, kein Hinweis sozusagen, bis auf das regelrechte Schlachtfeld, dem seine Wohnung nun glich.
Jury musste schmunzeln. Das Wohnzimmer sah aus, als wäre es vom Sittendezernat gründlich auseinandergenommen worden. Er tappte in die Küche, füllte den Teekessel und knallte ihn auf den Brenner, als würde all das Ungestüme, das in den letzten vierundzwanzig Stunden – ach, nicht einmal so lang – das Blut in ihm zum Kochen gebracht hatte, sich nun entladen.
Er öffnete den Küchenschrank, holte einen Henkelbecher heraus und schlug die harmlose Schranktür zu. Er lehnte die Stirn dagegen. Dann drehte er sich um, den Kopf in die Hände gestützt. Verdammt, bist du eigentlich wahnsinnig?
Einen kurzen, schrecklichen Augenblick lang befürchtete er, die Schranktür würde antworten. Sämtliche Gegenstände um ihn herum schienen zu vibrieren, alle im gleichen Takt. Es war, als müsste er all seine Wut herauslassen. War es das etwa, was am Ende von der Liebe blieb? Doch es war gar nicht Liebe. Diese Liebe, fürchtete er, war nicht groß genug.
So konnten sie nicht weitermachen.
Er kam nicht von ihr los.
Ein Klopfen an der Tür riss ihn hoch. Hoffentlich war es niemand, den er kannte. Er würde demjenigen kurzerhand einen Kinnhaken verpassen. Rasch knöpfte er sein Hemd zu und richtete auf dem Weg zur Tür den Sofatisch wieder auf, hatte jedoch keine Zeit, Sessel und Beistelltischchen wieder richtig hinzustellen. Sie waren von der Tür aus nicht zu sehen, das war also in Ordnung. Er machte auf.
»Mr. Jury«, kam es händeringend.
Es war Mrs. Wasserman, die alte Dame aus der Kellerwohnung.
»Haben Sie das gehört?«
Er setzte sein schlichtes Begrüßungsgesicht auf. »Hallo, Mrs. Wasserman. Was soll ich gehört haben?«
Besorgt flüsterte sie, als könnte »das« sie vielleicht hören und sie zu Boden schmettern. »Den entsetzlichen Lärm gestern Abend.« Als Jury in der Tür stehen blieb und ihr die Sicht versperrte, blickte sie nach oben, als könnte sie durch die Wohnungen im zweiten und dritten Stock hindurchsehen. »Hatte Carol-Anne vielleicht
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