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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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stockbetrunken zur Pandorabüchse zurück. Als er aus dem Morris stieg, bemerkte er, daß unten in der Bar noch Licht war.
    Völlig aufgelöst wartete Daphne Murch auf ihn. Jury fiel ein, daß sie dabeigewesen sein mußte, als Matchetts Sachen abgeholt wurden.
    Sie lief ihm entgegen und sagte: «Ich konnte es einfach nicht fassen, Sir. Mr. Matchett! Wo er doch immer so offen und ehrlich gewesen ist!»
    «Tut mir leid, Daphne. Ich weiß, es muß schrecklich für Sie sein.» Sie saßen an einem der Tische, und Daphne servierte Tee – ob müde Füße oder ein überführter Massenmörder, Tee war nie verkehrt. Sie schüttelte immer noch ungläubig den Kopf.
    «Hören Sie, Daphne, Sie haben jetzt keinen Job mehr, nicht?»
    Sie sah ihn niedergeschlagen an, und Jury fügte hinzu, «ich hab da ein paar Freunde in Hampstead Heath.» Er holte sein kleines Adreßbuch hervor, schrieb die Adresse auf und gab sie ihr. «Ich weiß zwar nicht, ob Sie nach London wollen» (ihr Gesichtsausdruck verriet ihm, daß sie die Vorstellung offensichtlich sehr aufregend fand), « –   aber ich kann Ihnen versichern, daß es sehr nette Leute sind, und ich weiß auch, daß sie eine Hausangestellte suchen.» Er wußte außerdem, daß sie einen sehr stattlichen jungen Chauffeur hatten. «Wenn Sie wollen, setze ich mich in London gleich mit ihnen in Verbindung und …»
    Er konnte seinen Satz nicht beenden, da Daphne um den Tisch gelaufen kam und ihn küßte. Dann flüchtete sie hochrot aus der Bar.

XX Montag, 28. Dezember

    Als Jury am nächsten Morgen aufwachte, konnte er sich kaum erinnern, wie er noch die Treppe hochgestolpert war und sich aufs Bett hatte fallen lassen. Ausgezogen hatte er sich nicht. Darringtons Bourbon und der Schlafmangel während der letzten 48 Stunden hatten ihm wohl den letzten Rest gegeben. Das Klopfen, das ihn geweckt hatte, war jedoch eher zaghaft gewesen. Er rief: «Herein!» und Wiggins steckte seinen Kopf durch den Türspalt.
    «Es tut mir aufrichtig leid, Sir, Sie wecken zu müssen. Aber Kriminaldirektor Racer sitzt unten im Speisesaal und fragt schon seit einer Stunde nach Ihnen. Ich hab ihn immer wieder hingehalten, aber ich glaube, lange schaffe ich’s nicht mehr.» Jury hatte ihm erzählt, zu welchem Zweck er die Hustenbonbons verwandt hatte, und das war für Wiggins, der sich die schrecklichsten Vorwürfe machte, weil ihm Matchett durch die Lappen gegangen war, der einzige Trost gewesen. «Wenn Sie nicht gewesen wären, Wachtmeister –» Daß er Inspektor Jury gleichsam das Leben gerettet hatte, hatte dem Wachtmeister Auftrieb gegeben. Vierschrötig stand er in Jurys Zimmer und sagte deutlich: «Ehrlich gesagt, Sir, ich finde es eine Schande, wie er Sie behandelt. Seit einer Woche haben Sie kaum ein Auge zugetan. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber Sie arbeiten viel zuviel. Ich hab Kriminaldirektor Racer gesagt, ich würde Sie schon wecken, aber zu einer annehmbaren Zeit, nicht vorher.» Wachtmeister Wiggins verstummte plötzlich, als könnten seinen Worten Flügel wachsen und sie nach New Scotland Yard tragen.
    «Das haben Sie tatsächlich gesagt?» Jury stützte sich auf einen Ellbogen auf und starrte Wiggins an.
    «Jawohl, Sir.»
    «Da kann ich nur sagen, daß Sie verdammt viel Zivilcourage haben, mehr als ich, Wiggins.»
    Strahlend ging der Wachtmeister aus dem Zimmer, damit Jury sich ankleiden konnte. Und Jury war nicht entgangen, daß er kein einziges Mal sein Taschentuch hervorgezogen hatte.

    «Sie wollten mich sprechen?» Jury verzichtete geflissentlich darauf, ihn mit «Sir» anzureden.
    Kriminaldirektor Racer hatte es sich im Speisesaal bequem gemacht, und um ihn herum standen die Teller mit den Resten eines üppigen Frühstücks: halbe Brötchen, Eierstückchen, Räucherlachsgräten. Der Onyx-Ring an seinem Finger funkelte, während er eine frisch angezündete Zigarre in seinem Mund rollte.
    «Sie haben auf dem Land wohl etwas Schlaf nachgeholt? Es war wirklich höchste Zeit, daß dieser Fall abgeschlossen wurde, Jury –» Jury bemerkte, daß derjenige, dessen Verdienst das war, mit keinem Wort erwähnt wurde –, «oder das Sanitätsbataillon wäre aufgetaucht, das garantiere ich Ihnen.»
    Immer noch glühend, stellte ihnen Daphne eine silberne Kaffeekanne hin und entfernte sich dann strahlend, ohne zu bemerken, daß Racer ihre Beine begutachtete.
    «Gar nicht so schlecht, die Kleine», sagte er, bevor er sich wieder umwandte und über den Tisch beugte, um Jury anzufunkeln. Sein Jackett,

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