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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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etwas fragen? Ich vermute, Sie wissen, daß ich meine Frau umgebracht habe. Aber wie zum Teufel –»
    «Nicht sehr klug von Ihnen, Mr. Matchett, eine solche Vermutung zu äußern. Und gleichzeitig den Mord zu gestehen. Was ich mich die ganze Zeit über fragte, war, was Sie eigentlich mit Miss Rivington verband?»
    Matchett schwieg einen Augenblick, dann fragte er. «Mit welcher Miss Rivington?»
    «Ich glaube, damit ist meine Frage schon beantwortet.» Jury schätzte immer noch die Entfernungen ab. «Und hat Small – ich meine Smollett – die andern beiden hierherbestellt, oder haben Sie das getan?»
    «Ich habe sie kommen lassen. Smolletts Stimme nachzuahmen war kein Problem mehr, nachdem er mir erzählt hatte, daß auch Hainsley und Creed von ihm eingeweiht worden waren. Ich hab sie einfach angerufen und ihnen gesagt – als Smollett – daß sie sofort hierherkommen sollten. Und ich sagte ihnen auch, daß sie in der Hammerschmiede und im Schwanen absteigen sollten – ich konnte sie ja nicht alle in der Pandorabüchse abkratzen lassen.»
    «Sie waren also nicht um elf, sondern schon um halb elf beim Schwanen. Sie haben Ihren Wagen im Wald abgestellt … daß wir dieses Fenster und die Fußspuren entdecken würden, war Ihnen ja wohl klar?»
    «Ja, natürlich. Das lag auch in meiner Absicht; da ich zu dem Zeitpunkt des Mordes – oder zumindest um den Dreh – mit Vivian im Schwanen saß, war mir egal, wen Sie verdächtigen würden, durch dieses Fenster eingestiegen zu sein. Übergroße Stiefel und ein Overall, um mich nicht zu beschmutzen – eine todsichere Sache.»
    Jury wollte, daß er weiterredete. «Und wie haben Sie es geschafft, sich von hinten an Creed ranzuschleichen?»
    «Er dachte – oder vielmehr legte ich ihm das nahe –, ich würde nach der Heizung schauen. Der Overall kam mir dabei sehr zustatten. Und außerdem bin ich nun mal Schauspieler, Inspektor –»
    «Das kann ich bestätigen. Aber warum in Gottes Namen haben Sie sich mit Creed nicht irgendwo anders getroffen, warum haben Sie ihn denn nach Long Piddleton kommen lassen?»
    «Ganz einfach – weil Sie uns festgehalten haben. Mir blieb gar nichts anderes übrig. Und allmählich fand ich auch Gefallen an dem Gasthof-Motiv, das sich die Zeitungen ausgedacht haben.»
    «Ich verstehe.» Jury war zu sehr damit beschäftigt, den Kraftaufwand abzuschätzen, den dieser Sprung erfordern würde, um sich noch um die Gefühle dieses unsichtbaren Mannes in dem pechschwarzen Raum unter ihm kümmern zu können. «Wird denn Mord mit der Zeit zur Gewohnheit?»
    «Vielleicht. Aber ich möchte Sie doch bitten, mir jetzt dieses Tagebuch zu übergeben, Inspektor. Und seien Sie so nett und kommen Sie ganz langsam die Kanzeltreppe herunter.»
    «Bleibt mir wohl nichts anderes übrig, Kumpel?» Jury knipste plötzlich das Licht aus und ging hinter dem Pult in Deckung, als die erste Kugel schon in das Holz über seinem Kopf einschlug. Dann schwang er sich auf den Rand der Kanzel und verlagerte sein Gewicht, um den Sprung auf die Empore zu wagen. Sein einziger Schutz war die Dunkelheit, und er brauchte seine ganze Kraft, um den Rand der Empore zu erreichen. Seine Hände griffen danach, hielten sich fest, und einen Augenblick lang baumelte er in der Luft, bis er sich dann mit letzter Anstrengung hochhieven konnte. Eine weitere Kugel flog in die Richtung der Bosse über ihm, und dann herrschte wieder absolute Stille, eine Stille, die er nicht durch seine Atemstöße unterbrechen wollte, obwohl er das Gefühl hatte, seine Lungen würden gleich platzen. Von der Lettnerempore auf die Seitenempore zu springen war ein Kinderspiel – wie ironisch, dachte Jury, daß die Kirche einem Theater gleicht; im Augenblick beschäftigte ihn jedoch die Frage, was für einen Revolver Matchett in der Hand hielt und wie viele Kugeln noch in dem Magazin steckten. Matchett würde nicht so dumm sein und sie einfach verballern.
    Jury hörte das leise Scharren von Füßen, und er wußte, daß Matchett die Treppe zur Lettnerempore hochstieg, eine Treppe, die in die Mauer zu seiner Linken gehauen worden war. Geduckt schlich er sich auf die andere Seite und sprang dann von der Lettnerempore auf die Seitenempore rechts von ihm; im selben Augenblick hatte auch Matchett die oberste Treppenstufe erreicht – ein kurzes Aufblitzen und ein Schuß, der, wie Jury hätte schwören können, knapp an seinem Ohr vorbeigegangen war. Immer noch geduckt, bewegte er sich zwischen den Bänken entlang und blieb

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