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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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der gleich durchdreht, ist für dieses Gewerbe nicht geeignet. Ich hab das immer gesagt. Früher hab ich auch schon welche eigenhändig aus dem Lokal befördert, Mr. Jury. Männer müssen lernen, nicht nach allem zu grapschen, stimmt’s?» Sie blickte Jury lächelnd an.
    «Absolut. Falls wir noch ein paar Fragen haben, können wir uns dann wieder an Sie wenden?»
    «Aber ja.» Ihr Lächeln wurde immer kecker.

    «Es ist die Toilette, Sir», sagte Wiggins und zeigte nach oben. Sie standen draußen vor der Mauer, vor dem Teil, den die ausgebauten Ställe bildeten. «Es ist nicht besonders schwierig, ich hab eben selbst das Fenster aufgestoßen und mich durchgezwängt. Dann bin ich durch die Tür in den Hof gegangen.»
    Jury blickte von dem Fenster auf den Boden. Der Schnee war beinahe geschmolzen, und der Boden war steinhart. Spuren waren wohl kaum zu erwarten. Jury ging in die Hocke. «Pratts Leute müssen hier auch gewesen sein. Ich frage mich, ob –»
    Er hörte hinter sich ein Pssst. Als er sich umdrehte, um festzustellen, aus welcher Richtung es kam, sah er einen kleinen Kopf hinter einer Eiche verschwinden.
    «Was war denn das, Sir?» fragte Wiggins verstört und schlug den Mantelkragen hoch, als wolle er sich gegen irgendwelche seltsamen Waldgeister schützen.
    «Ich kann mir’s schon denken», sagte Jury und beobachtete den Baum. Der Kopf zeigte sich wieder, und über ihm tauchte auch noch ein zweiter auf.
    Pssst. Pssst.
    «Kommt schon raus aus euerm Versteck», rief Jury so autoritär wie nur möglich.
    Es wirkte. Die beiden erschienen auf der Stelle und ließen die Köpfe noch tiefer als gewöhnlich hängen. Die kleine Hand des Mädchens zerknautschte den Saum ihres Mantels.
    Jurys Stimme klang etwas freundlicher. «Was macht ihr denn da, ihr beiden, James und James?»
    Der Junge, wie immer der Tapfere, blickte von Jury auf Wiggins, den er einer gründlichen Inspektion unterzog, und dann wieder auf Jury; sein Gesicht sagte alles. Schick den da weg. Oder wir sagen kein Wort.
    «Wiggins, schauen Sie doch mal nach Hetta, vielleicht ist ihr nach ein paar Gläschen noch etwas eingefallen.»
    Kaum war der Wachtmeister verschwunden, hüpfte das Mädchen von einem Bein aufs andere, und der Junge sagte beinahe ehrfürchtig: «Spuren!» Er deutete mit dem Finger auf den Wald. Gleich hinter der Mauer stand eine Gruppe Eichen, die in einen kleinen Wald überging.
    Das kleine Mädchen blickte Jury mit tellergroßen blauen Augen an, offensichtlich noch ganz fassungslos, daß ihre Lektion so schnell Anwendung gefunden hatte.
    James flüsterte aufgeregt, während er Jury mit sich zog: «Wir haben es genauso gemacht, wie Sie gesagt haben, Mr. Jury. Wir haben nach was Komischem geschaut. Sie meinten doch, bei einem Mord gibt es immer was Komisches.»
    Hatte er das gesagt, fragte sich Jury, als sie ihn wie einen Kinderwagen vor sich her schoben. Schließlich ließen sie ihn los und rannten zwischen den Bäumen voraus. Im Wald lag noch sehr viel mehr Schnee als bei dem Gasthof, und als er sie wieder eingeholt hatte, deutete James auf den Abdruck eines Schuhs oder eines Stiefels. Ein paar Schritte weiter war noch einer, auch an einer Stelle, an der der Schnee nicht geschmolzen war. Nach ungefähr sechs Metern hatten sie eine kleine Lichtung erreicht; der Boden war hart gefroren und zerfurcht.
    James zeigte zurück auf die von Bäumen verdeckte Landstraße von Sidbury nach Dorking Dean und sagte: «Früher gab es hier auch mal eine Straße. Aber niemand benutzt sie mehr. Sie ging auch nach Dorking.»
    Jury entdeckte alte Reifenspuren, und als er sich bückte, um sie genauer zu inspizieren, bemerkte er, daß eine zumindest doch nicht so alt aussah.
    Jury stand auf. «James», sagte er, und «James.» Er legte seine Hand auf die gestrickte Mütze des Mädchens. «Wirklich glänzend!» Mit offenen Mündern starrten sie einander an, überwältigt, daß ein Wort, das für Gold und Kronjuwelen reserviert war, nun auf sie angewandt wurde. Jury zog seine Brieftasche hervor und sagte: «Scotland Yard zeigt sich in solchen Fällen immer erkenntlich.» Er gab jedem eine Pfundnote, die sie kichernd in Empfang nahmen. «Ihr dürft natürlich nichts von dieser Entdeckung verlauten lassen.» Das Kichern verstummte, die Köpfe nickten, und ein feierliches Schweigen breitete sich aus. «Und jetzt ab nach Hause. Macht keine Dummheiten, ich brauche euch noch.» Die beiden verschwanden zwischen den Bäumen, aber eine Minute später tauchte der

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