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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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blödsinnige Fragen stellen und dann wieder ganz scharfsinnige Schlüsse ziehen. Vielleicht hing das davon ab, ob seine Nase frei oder verstopft war. «Würde mich gar nicht wundern, Wachtmeister. Erzählen Sie mir bitte, was Sie wissen.»
    Wiggins holte seine in Zellophanpapier eingewickelte Schachtel mit Hustenbonbons hervor, und Jury wartete geduldig, während er sie umständlich öffnete und sich ein Bonbon in den Mund steckte. «Es handelt sich um einen gewissen Jubal Creed, Sir. Seinem Führerschein entnahmen wir, daß er aus einer Stadt in East Anglia kommt, die Wigglesworth heißt. Gehört zu Cambridgeshire. Die Polizei in Weatherington hat versucht, sich mit seiner Familie in Verbindung zu setzen. Sein Auto stand auf dem Parkplatz vor dem Gasthof. Es wurde auch nach Weatherington gebracht. Er kam gestern abend an und hat heute morgen noch sein Frühstück hier eingenommen. Mrs. Willypoole sagte, er sei gegen 10.30 oder vielleicht auch etwas später heruntergekommen.»
    Jury nickte und ließ sich auf ein Knie nieder, um Creed genauer zu inspizieren. Die rote Furche um seinen Hals, das bläulich verfärbte Gesicht und die Augen sagten schon alles. Wiggins hatte sie geschlossen, aber sie wölbten sich noch unter den Lidern. Die Furche um den Hals stammte wahrscheinlich wie bei Small von einem Stück Draht, das sich in die Haut eingeschnitten hatte. Einen Kampf konnte es wohl kaum gegeben haben.
    «Sauber, ordentlich und lautlos. Man braucht nur ein paar Sekunden hinter seinem Opfer zu stehen und –» Jury erhob sich.
    «Ich hab Kriminaldirektor Racer angerufen. Ich hoffe, das ist in Ordnung?»
    «Danke. Es hat ihn bestimmt interessiert.»
    Wiggins gestattete sich ein Lächeln. «Er wollte wissen, warum nicht Sie anrufen. Ich sagte, Sie hätten zuviel zu tun, Sir.»
    «Hätte Lady Ardry nicht darauf bestanden, mir die Nachricht persönlich zu überbringen, hätten Sie mich bestimmt schon früher erreicht. Vielleicht sollten wir die alte Sitte wieder einführen und dem Überbringer schlechter Nachrichten den Kopf abschlagen.»
    «Sie war mit ihrem Fahrrad unterwegs, und ein Autofahrer hat ihr von dem Mord erzählt. So hat sie es zumindest dargestellt.»
    Jury schnaubte. «Dieses Alibi haben wir sofort vom Tisch gefegt, Wiggins.»
    Wiggins lachte tatsächlich und mußte sein Inhaliergerät herausholen. Zu allem Übel wurde er auch noch von Asthma geplagt.
    «Versuchen Sie herauszufinden, wann und warum Creed von Cambridgeshire aufbrach.» Jury schaute sich Creed genauer an; der Kopf ruhte auf dem Arm, das Gesicht war leicht nach oben gedreht. «Wiggins, was zum Teufel ist denn das?» Jury zeigte auf eine Verletzung, die wie ein kleiner Schnitt auf der Nase aussah. Das Blut schien noch ziemlich frisch zu sein. Jury streckte den Arm aus und drehte den Kopf des Mannes in seine Richtung. Er entdeckte noch einen weiteren Schnitt. Als hätte jemand mit einer Rasierklinge zwei Kerben in den Nasenrücken gehauen. Das meiste Blut war zur andern Seite hin abgeflossen. Die Kerben waren nicht sehr tief, aber sie ließen Jury erschauern. War wieder der Spaßvogel am Werk gewesen? Aber worin lag der Spaß?
    Bevor Wiggins sich zu den Kerben äußern konnte, wurde die Tür zum Garten von einem behenden, kleinen Männchen aufgestoßen, der sich als Dr. Appleby vorstellte und sich für sein spätes Erscheinen entschuldigte. Bissig meinte er, er müsse sich auch noch um die Lebenden kümmern. Nachdem er das Opfer schnell und gründlich untersucht hatte, sagte er: «Das wär’s mal wieder: Er wurde von einem, der hinter ihm stand, erdrosselt. Der Kehlkopf hat den größten Druck abgekriegt. Die Haut ist etwas verletzt. Wahrscheinlich wurde ein Stück Draht benutzt – wie bei den andern. Schnell, sauber und wenn ich das noch hinzufügen darf –» Appleby musterte Jury über seine randlose Brille mit hochgezogenen Augenbrauen, «der dritte bislang.»
    «Das ist also eine Tatsache?» sagte Jury. «Warum erfahre ich solche Dinge nicht von den Londoner Burschen?»
    Appleby grunzte. «Nach der Obduktion läßt sich vielleicht noch etwas mehr sagen, aber viel wird’s nicht sein. Nicht, wenn es wie bei den andern beiden aussieht. Die Todeszeit kann ich Ihnen auch gleich sagen; es muß zwischen neun und wann immer die Leiche gefunden wurde, gewesen sein – war’s nicht um die Mittagszeit?»
    «Wir können das noch weiter eingrenzen. Um halb elf hat er noch gelebt.» Jury bot Appleby eine Zigarette an, die der Arzt auch annahm.

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