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Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Titel: Inspektor Jury spielt Katz und Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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bißchen wackelig auf den Beinen und eher defensiv als aggressiv. «Sehen Sie, das Mädchen war eine Belastung, warum also sollten wir die alte Dame nicht um ein bißchen mehr anhauen?»
    Brindle machte den Fehler, anzunehmen, daß Jury genausoviel wußte wie er. «Tausend Pfund waren nicht genug, Mr. Brindle?»
    Joe Brindles Körpermassen gerieten in Wallung, der Bauch quoll über den offenen Gürtel. «Nein!» Er ruderte mit den Armen. «Sie kommen einfach hierher, wegen der kleinen Schlampe –»
    Jury hatte seine Reflexe gewöhnlich unter Kontrolle, aber wenn Flossie Brindle jetzt nicht von ihrem Sessel aufgesprungen wäre und ihrem Mann den Rest ihres Bieres ins Gesicht gekippt hätte, hätte er ihm eine verpaßt. «Hast mit ihr rumgemacht, jawohl. Du beschissener Lügner.» Und zu Jury sagte sie: «Dachte, ich wüßte nichts davon.»
    Jury hatte es schon geahnt, trotzdem wurde ihm übel. Er wartete. Flossie wollte Rache.
    Brindle wischte sich das Bier aus dem Gesicht und grummelte, er hätte sie ja nie rumgekriegt. Carrie sei zu schnell für ihn gewesen.
    Wenigstens etwas, wofür man dankbar sein konnte. «Dieser Brief, Mr. Brindle –»
    Flossie unterbrach ihn. «Nannte sich ‹Baronin›. Zum Schießen! Sprach eher, als käme sie aus dem tiefsten Manchester oder Liverpool. Wir haben es alle beide sowieso nie geglaubt. Warum sollte überhaupt jemand Carrie Fleet wollen?» Sie zuckte mit den Schultern, lehnte sich wieder in dem dunkelblauen Sessel zurück und sagte:
    «Deshalb hat Joe gedacht, er bemüht sich noch mal um ein bißchen Bares.» Sie machte noch eine Flasche auf.
    «Warum hältst du nicht die Klappe, Floss?» Er zuckte mit den Schultern. «Ist ja eh nichts gewesen.»
    Im Zimmer herrschte ein heilloses Chaos. Eine dünne Katze bearbeitete einen Haufen Schmutzwäsche mit den Pfoten, an der Wand hing ein Woolworth-Gemälde, das ein Reh darstellte, auf der Couch döste das Mädchen.
    Flossies Wehmut schien echt zu sein, so betrunken sie auch war. Sie hatte den Brief aus dem schmuddeligen Umschlag mit der krakeligen Schrift genommen. «Hat das Foto wahrscheinlich behalten.» Sie nahm noch ein Schlückchen.
    Jury horchte auf.
    «Eins kann ich Ihnen sagen», sagte Joe Brindle. «Mit unserer Flossie hier ist nicht zu spaßen, auf den Kopf gefallen ist sie nicht.» Er deutete ein Lächeln an. «Hat die Uniform sofort erkannt, und zwar immer.» Er gab ihr einen freundlichen kleinen Klaps auf den Arm.
    Nun setzte Jury sich, lächelte und sagte: «Kann ich wohl eins haben, Flossie?» Er nickte in Richtung Bass Ale.
    Mit Freuden ergriff sie die Chance, dem Superintendent zu Diensten zu sein. Da konnte sie ihre Beine noch mal zur Geltung bringen und die Gastgeberin spielen, Fleischwülste in schwarzes Lackleder gezwängt. Sie brachte ihm sogar ein Glas.
    «Danke. Haben Sie noch einen Abzug?» Brindle war doch wohl schlau genug, kein Original wegzuschicken, ohne vorher einen Abzug machen zu lassen. Nachdem Jury das halbe Glas geleert und Flossie wiederholt angegrinst hatte, sagte er: «Was dagegen, wenn ich es mir noch mal ansehe?»
    «Das Zimmermädchen? Klar, warum nicht?» Flossie ging und kam mit einem Foto zurück. Die Ecken waren geknickt, es war an einem regnerischen Tag aufgenommen und ziemlich unscharf. Es zeigte eine junge Frau in Kleid und Cape, der «Uniform». Sie versuchte, einen undeutlich sichtbaren Schäferhund festzuhalten, der an einer danebenstehenden Gaslaterne viel interessierter zu sein schien als an ihr. Sie hatte den Kopf zurückgeworfen und lachte über sein Dilemma.
    «Amy Lister», sagte Flossie.
    «Haben Sie sie gekannt?»
    Flossie verneinte. «Es steht hinten drauf.»
    Jury drehte das Bild um. Da stand der Name in Druckbuchstaben.
    Brindle sagte wieder. «Kluges Mädchen, die Flossie.»
    «Warum hat Carrie das Bild nicht mitgenommen?»
    Flossie zuckte mit den Schultern. «Keine Ahnung. Vielleicht hat sie es nach so langer Zeit vergessen. Das Futter von der Tasche war gerissen, und das Foto war dazwischen.»
    Sie zündete sich eine Zigarette an, warf das Streichholz in Richtung Aschenbecher und sagte durch die aufsteigende Rauchspirale: «Sehen Sie die Laterne? Wo der Hund dranpissen will? Ich weiß, wo die ist. Das ist eine von den letzten Gaslaternen in ganz England. Am Embankment ist die. Und dann hab ich meinen Grips mal ein bißchen angestrengt.» Sie machte eine Pause, um diese besondere Fähigkeit zu demonstrieren. «Sehen Sie, ich hab früher im Regency Hotel gearbeitet. Da

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