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Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Titel: Inspektor Jury spielt Katz und Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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wichtig gewesen war, sonst hätte sie Regina und Gillian beim Lunch erzählt, was darin stand. Jury glaubte nicht, daß sie aus Heimlichtuerei nichts gesagt hatte, sondern daß sie aus purer Verzweiflung geschwiegen hatte. Verzweiflung. Ein Gefühl, das Erwachsene bei Kindern nicht wahrhaben wollen und gerne als «vorübergehende Phase» abtun. Aber Jury erinnerte sich, daß er, als er nur wenig jünger als Carrie gewesen war, auf einem sehr ähnlichen Bett in einer langen Reihe von weiteren Betten gesessen hatte. Nachdem seine Mutter und sein Vater im Zweiten Weltkrieg umgekommen waren, war er im Waisenhaus gewesen, bis ihn ein Onkel gerettet hatte. Carrie war von den Brindles gerettet worden.
    Wenn man denn von Rettung sprechen wollte.
     
    Die Szene im Eßzimmer war einfach köstlich. Die Baronin am einen Ende des langen Rosenholztisches, Wiggins am anderen: ein Herz und eine Seele. Sie unterhielten sich äußerst angeregt, wohl nicht so sehr, weil Wiggins ein besonders geistvoller Gesprächspartner war, sondern weil sie schon ein paar Gläschen Wein getrunken hatten.
    Er hätte Regina nach dem Foto fragen können, aber er unterließ es.
    «Sergeant», unterbrach Jury die beiden und kehrte, was selten passierte, den Vorgesetzten heraus.
    «Sir!» Wiggins erhob sich, die Serviette fiel zu Boden.
    «Mein lieber Superintendent! Bitte gesellen Sie sich zu uns. Meine Köchin ist unübertroffen –»
    «Danke, ich habe keinen Hunger. Es ist nach neun, Regina. Machen Sie sich keine Sorgen um Carrie?»
    «Sie sucht immer noch Bingo.» Regina stellte seufzend ihr Weinglas ab. «Ich hatte eigentlich nicht erwartet, daß sie Punkt halb neun zum Dinner antritt.»
    «Wenn Sie fertig sind, Sergeant –»
    Jury und Wiggins verließen Regina, die jammerte, weil sie nun keinen mehr zum Reden hatte, nicht einmal Gillian. Sie zogen ihre Jacken an und stiegen ins Auto.
    «Wo fahren wir hin, Sir?»
    «Zum ‹Hirschsprung›. Um Plant zu suchen. Und Neahle Meara.»
    «Das kleine Mädchen, Sir?»
    «Das kleine Mädchen, genau.»
     
    Sie saßen in der Bar, an dem Tisch, der hin und wieder auch zum Essen benutzt wurde.
    «Ich weiß nichts», sagte Neahle. « Ich habe nichts geschrieben.»
    Jury lächelte. «Das habe ich auch nicht vermutet. Aber was meinst du dazu, Neahle?»
    Sie zuckte mit den Schultern. « Ich weiß nichts.» Ihre Stimme zitterte.
    «Schon gut, Neahle. Ist nicht schlimm. Geh jetzt ins Bett.»
    Aber sie blieb stur sitzen, die Fäuste unter dem kleinen Kinn. «Wo ist Carrie?»
    «Wie kommst du darauf, daß Carrie etwas passiert sein könnte?» fragte Melrose Plant.
    Sie sah zum Feuer, das zu glimmender Asche heruntergebrannt war. «Weil Sie alle hier sind und komische Fragen stellen.» Dann glitt sie vom Stuhl. « Ich geh ins Bett.»
    Sie lief aus dem Raum.
    Immer und immer wieder machte das Foto die Runde. «Pasco? Vielleicht weiß der was.»
    «Warum glauben Sie, daß es irgendwo hier in der Nähe ist?» fragte Polly. «Es könnte genausogut in der Nähe der Ostindiendocks sein.»
    «Sie haben eine lebhafte Phantasie, Polly. Dieses große Feld – sieht wirklich aus wie an der Themse», konterte Jury ironisch. «Rufen Sie Pasco an, Wiggins.»
    Wiggins verschwand.
    Plant nahm das Bild und begab sich zögernd zum Tresen, hinter dem Maxine Torres in einer Zeitschrift blätterte. Mißmutig sah sie Plant an. «Schon wieder?» Sie spielte offenbar auf sein Pint Old Peculier an. Plant, der delirierende Alkoholiker.
    «Nein, Maxine, nicht noch ein Glas. Ich bin bloß an Ihren wahnsinnigen schwarzen Augen interessiert.» Er hielt ihr das Bild nah vor die Augen. «Wissen Sie, was das ist?»
    Sie schob es zurück. «Halten Sie mich für blind?»
    «Was weiß ich. Kennen Sie dieses Gebäude?»
    «Ja, klar doch. Das ist das Labor außerhalb der Stadt. Bei Selby. Zwei, drei Kilometer.» Weder das Foto noch die Frage interessierte sie sonderlich. Und Plant erst recht nicht. Sie widmete sich wieder ihrer Lektüre.
    «Wie kommt man dahin, bitte?»
    Sie blinzelte ihn verständnislos an. Wegbeschreibungen gehörten nicht zu ihren Gastwirtspflichten, aber als Plant eine Seite aus ihrer Zeitschrift riß, ihr seinen goldenen Kugelschreiber hinhielt und seine Bitte wiederholte, kooperierte sie auf einmal.
    Sie zog ein paar Linien für die Straßen und malte ein X an die Stelle, wo das Labor war. Dann bedachte sie ihn mit einem bitterbösen Blick und schob ihm Blatt und Stift zu.
    «Nichts für ungut. Ich schenke Ihnen ein Abo für die

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