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Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Titel: Inspektor Jury spielt Katz und Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Herzstillstand zusammengeklappt. Aber sie stand aufrecht da, das ist das Problem. Und ich dachte, da telefoniert ein lebendiger Mensch –»
    «Das war ja wohl auch eher wahrscheinlich. Aber meinen Sie, deshalb bin ich hier?» Er konnte sehen, daß sie mit den Gedanken irgendwo auf der A 204 war, auf der Suche nach Jurys Auto. Melrose hätte man vom Sterbebett zerren können – ihr wäre es schnurzegal gewesen.
    «Wie soll ich Superintendent Jury erklären, daß ich nicht unter Mordverdacht stehe –»
    «So wie Sie das Messer halten, ändert sich das vielleicht bald.» Er schob die Klinge beiseite. «Weiß ich auch nicht», sagte er mit einem wunderbaren Lächeln. «Der arme Jury. Man schleift ihn wegen eines vermißten Katers von London bis hierher –»
    Und dann fragte Polly Praed plötzlich: «Warum hatte sie eigentlich keinen Schirm dabei?»

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BETROGEN B ETRÜGER , WERDEN SIE –
     

6
    S IE TRUG EINEN WEISSEN P ULLOVER , darüber ein verwaschenes Trägerkleid aus Jeansstoff, ausgebleichte Turnschuhe, keine Socken. Das Sonnenlicht brach durch den Nieselregen und die Bäume um die Ashdown Heath und färbte ihr Haar fast platinblond. Ihr Gesicht war oval, bleich, unscheinbar und vom Regen klitschnaß. Sie hatte blaßblaue Augen und sah im Grunde aus wie eine x-beliebige Fünfzehnjährige – abgesehen von dem 412-kalibrigen Gewehr, das sie sich an die Schulter drückte. Sie nahm die zehn Meter entfernten Jungen mit zusammengekniffenen Augen ins Visier.
    «Laßt die Katze los», sagte sie.
    Billy und Batty Crowley setzten den Kanister ab. Gerade hatten sie den orangefarbenen Kater mit Benzin übergossen. Das Tier sah fast aus wie aus einem Comic: Es hatte ein rotes Tuch um den Hals, die Augen weiß und vor Entsetzen weit aufgerissen, das Fell stand ab wie Kiefernnadeln. Batty Crowley wollte gerade ein Streichholz anzünden.
    Sie war ihnen leise ein Viertel des Wegs über die Heide gefolgt.
    Jetzt starrten sie sie fassungslos an. Als die beiden Brüder nicht so schnell reagierten, wie sie wollte, spannte sie das Gewehr und entsicherte es.
    Dann sagte sie: «Zieht Hemd und Pullover aus.»
    «Was meinst du, verdammt noch mal?» fragten sie, als sei sie die Wahnsinnige, die die Idee zu diesem brutalen Vergnügen gehabt hatte.
    «Zieht Hemd und Pullover aus. Sofort! Putzt das Benzin mit euren Hemden ab.»
    Sie hielten jeweils ein Bein des sich windenden Tieres und brüllten vor Lachen.
    Bis sie feuerte. Sie schoß in den Boden, dorthin, wo sie schon eine Stelle freigeräumt hatten, um den Kater zu rösten. Sie rissen sich Hemd und Pullover herunter und fingen an, das Tier abzuwischen. Sie schwitzten, halbnackt in der Kälte des Oktobermorgens.
    «Du bist –» schrie Billy Crowley. Als er aber sah, daß das Gewehr direkt auf seine Stirngegend gerichtet war, verkniff er sich das Fluchen.
    «Kriegt ihr das Benzin ab?»
    Sie nickten, hockten sich hin und putzten aus Leibeskräften. Der Kater schrie und kratzte Billy.
    «Wickelt ihn in die Pullover, damit er sich nicht ablecken kann, und tut ihn in die Kiste, in der ihr ihn hierhergebracht habt.» Sie fuchtelte mit dem Gewehr herum, und sie duckten sich. «Bringt die Kiste hierher.»
    Billy wickelte die Pullover um den Kater, der schrie und kratzte, und setzte ihn in die Kiste.
    «Hierher.»
    Sie gehorchten und setzten die Kiste ungefähr zwei Meter vor ihr ab. Es scharrte und rumpelte in der Kiste, es sah aus, als bewegte sie sich wie durch Zauberei von allein.
    «Jetzt zischt ab, aber ein bißchen plötzlich, ich bleibe hier stehen, bis ich euch nicht mehr sehen kann.»
    Sie blickten sich nicht um.
    Sie kippte den Lauf, nahm die verbliebene Patrone heraus und verstaute sie mit der Schachtel in der Tasche. Dann hob sie die Kiste mit dem Kater auf, versteckte das Gewehr im Farn und rannte durch den Wald, bis sie die Ausfallstraße aus Ashdown Dean erreichte.

7
    E INE D REIVIERTELSTUNDE SPÄTER hatte Melrose Plant Polly Praed aus dem Eßzimmer im «Haus Diana» in die weitaus anregendere Atmosphäre des «Hirschsprung» gebracht. Melrose hatte hier ein Zimmer gemietet, und deshalb war der Wirt John MacBride nur zu gern bereit, die Bar schon um zehn zu öffnen.
    «Da ist was dran. Bei so einem Sturm geht an sich niemand ohne Schirm.» Sein Blick schweifte über die Kaminecke, die Zinn- und Messingbecher, die über dem Tresen hingen, die Reproduktion eines Landseer-Gemäldes, das einen Hirsch darstellte, über die

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