Inspektor Jury spielt Katz und Maus
«Jetzt würde ich gerne wissen, was du denkst. Woran denkst du bloß immer, Carrie?»
Sie hob die Tragebox hoch. «An Schicksale, die schlimmer sind als der Tod. Danke schön.» Sie ging.
Zu spät.
Als Constable Pasco den Hörer aufknallte und sie wütend ansah, war ihr klar, daß es Amanda Crowley gewesen war. Amanda hatte vermutlich deshalb so lange mit Pasco telefoniert, weil sie wußte, daß Billy und Batty die Schuldigen waren. «Ich will Anzeige erstatten», sagte Carrie.
«So?» Pasco verschränkte die Arme und legte die Füße auf den Schreibtisch.
«Batty und Billy Crowley haben einen Kater gefangen und wollten ihn anzünden.» Sie stellte die Tragebox auf ein Ablagebrett zwischen seinem Schreibtisch und dem schmalen Eingang. «Hier ist er.»
Pasco deutete aufs Telefon. «Amanda Crowley hat gerade angerufen. Sie behauptet, du hättest die Jungs mit einer Knarre bedroht.»
«Was hätte ich denn tun sollen? Zugucken, wie sie den Kater verbrennen?»
«Das ist das achte Mal –» Er schaute auf einen riesigen Kalender mit einer Abbildung von grasenden Schafen. Carrie fragte sich, wieso er sich für einen Kalender mit Vierbeinern entschieden hatte, denn eigentlich machte er sich nichts aus Tieren. «Nein, das zehnte – das zehnte Mal – hörst du?»
«Ja.» Verschämt schlug sie die Augen nieder und entdeckte auf seinem Schreibtisch ein vom Tierschutzverein herausgegebenes Handbuch, offensichtlich machte der Constable seine Hausaufgaben. Auf dem Kalender hatte er akribisch vermerkt, wie oft sie hier gewesen war, wenn sich wieder ein Dorfbewohner über sie beschwert hatte.
«Und ich sag’s zum letztenmal, Carrie. Nur weil die Baronin hinter dir steht –»
Das , dachte Carrie, war ein Lacher.
«– heißt das nicht, daß du einfach so Hunde losbinden und Katzen stehlen kannst –»
«Mr. Geesons Beagle war Tag und Nacht angekettet, und das ist gesetzwidrig.» Sie schlug mit dem Handbuch auf den Tisch.
« Es ist gesetzwidrig, das Leben von Leuten zu bedrohen! Zum allerletztenmal –»
«Wollen Sie, daß es im Dorf nach Katzenbraten stinkt?»
Er kniff wütend die Augen zusammen. «Glaub bloß nicht, daß ich dir nicht auf die Schliche komme. Ich weiß genau, wer die Fuchsbaue aufmacht, wenn die jungen Füchse gejagt werden. Wenn sich Grimsdale noch einmal beschwert –»
Sie hörte einfach nicht mehr hin. Sebastian Grimsdale war eben Master und eine Säule der hohen Gesellschaft von Ashdown Dean.
Empört nahm Pasco seinen Schreibblock vor. «Wie heißt der Kater?»
Carrie runzelte die Stirn. «Batty hat uns nicht miteinander bekannt gemacht –»
«Sehr witzig.» Er richtete den Stift auf sie wie einen Pfeil. «Gerade mal fünfzehn, aber immer mußt du das letzte Wort haben. Wie sieht er denn aus?»
«Gucken Sie doch selbst. Er hat ein rotes Halstuch um. Er ist nicht aus Ashdown Dean.»
Er befahl ihr, das Vieh in der Box zu lassen, drehte sich um und griff zum Telefon. Beim Wählen sagte er: «Du kennst hier aber auch jede Katze und jeden Hund und jedes Schwein und jeden Fuchs – Hallo ?» Er fragte nach jemandem, der Prad hieß oder so ähnlich. Er hinterließ die Nachricht, daß man den Kater gefunden habe.
«Der Kater gehört einem Gast im ‹Haus Diana›. Carrie, mit dir wird es noch böse enden.»
Wieder schlug sie die Augen nieder. «Ja.» Sie nahm die Tragebox.
«Laß ihn hier», befahl Pasco.
« Ich hab ihn gefunden», sagte sie und rannte gerade noch rechtzeitig mit der Box aus der Tür.
Als Carrie an dem blauen Schild vorbeilief, das zur Polizeiwache von Ashdown Dean wies, überlegte sie, daß ihre Beziehung zu Constable Pasco alles in allem nicht schlecht war. Sie hatte sich seiner Gesellschaft jedenfalls oft genug erfreut, um das beurteilen zu können.
Auf dem Weg kam ihr Donaldson entgegen, Sebastian Grimsdales Meutenführer und angeblich ein glänzender Pirschjäger und Treiber. Sie verabscheute den Schotten zutiefst. Warum er sich dazu herabgelassen hatte, hierherzukommen und mit Grimsdale Füchse zu fangen und in Zwingern zu halten, war Carrie schleierhaft. Noch ein Schönling mit kupferfarbenem Haar und kantigem Gesicht. Carrie hatte gehört, daß er eine Affäre mit Sally MacBride hatte, die erst seit einem Jahr mit dem Gastwirt verheiratet war.
«Ei, wenn das nicht unsere kleine Carrie ist.»
Reizend, unsere kleine Carrie. Am liebsten hätte sie ihm ins Gesicht geschlagen.
Er stellte sich ihr mitten in den Weg, und als sie versuchte, an ihm
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