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Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Titel: Inspektor Jury spielt Katz und Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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erahnen: Sally MacBride wurde nicht jünger, und John MacBride hatte ein hübsches, gutgehendes Geschäft – die einzige Kneipe in einem freundlichen Dörfchen. Sehr sinnlich war er nicht, im Gegensatz zu seiner Frau mit ihrem flachsblonden, steifgesprayten Haar und dem roten Schmollmund. Da hätte wohl so manch einer gerne mal angebissen.
     
    Melrose dachte gerade wieder über Una Quicks Tod nach, als er merkte, daß sich auf dem Flur etwas bewegte. Er beschloß, der Sache nachzugehen, stand auf und knotete seinen Morgenmantel zu. Alles war besser, als in einem alten Messingbett zu liegen, das zwanzig Zentimeter zu kurz war.
    Plötzlich sah er durch einen Spalt in der Tür ein kleines weißes Etwas mit ausgestreckten Armen durch den Flur schweben. Offenbar hatte die Erscheinung gehört, wie seine Tür aufging, denn sie blieb stocksteif stehen. Dann drehte sie sich um, ließ die Arme sinken und floh mit entsetztem Blick in ein Zimmer. Ein kohlrabenschwarzes Kätzchen folgte ihr.
    Melrose blieb stehen und dachte über die kleine Szene nach. Die Welt der Kindheit überließ man seiner Auffassung nach am besten den Kindern; anders gesagt: Er redete nicht mit Menschen unter zwanzig, wenn er nicht dazu gezwungen wurde, und hatte ganz bestimmt von sich aus noch nie ein Gespräch mit einer Acht- oder Neunjährigen angeleiert (für so alt hielt er das Kind). Doch in diesem Fall war die Neugierde stärker als die Gewohnheit.
    Er ging an dem Zimmer der MacBrides vorbei. Diese Tür war nur angelehnt, das Licht einer Nachtlampe drang heraus. Sally bekam in geschlossenen Räumen Angstzustände, seit sie einmal in einen Schrank eingeschlossen worden war, und ihr Mann hatte Melrose zugeflüstert: Klaustrophobie würde ich sagen . Melrose hörte John MacBride schnarchen. Das Mädchen war im Zimmer daneben verschwunden. Er klopfte, die Tür war einen Spaltbreit offen, als ob das Kind erwartet hätte, daß er, mit Sichel und Kapuze, kam und sie rief. So jedenfalls starrte sie ihn jetzt an.
    Sie beugte sich über das Kätzchen, das in ihrem Schoß saß und dessen Fell schwarz glänzte wie ihr kurzgeschnittenes Haar. Sie sagte: «Jetzt sagen Sie es wahrscheinlich.»
    «Es sagen? Ich weiß weder, was ich sagen soll, noch wem ich es sagen soll. Keine Angst, dir passiert nichts.»
    Sie schaute ihn prüfend an und sah dann zum Fenster, dessen Scheiben beschlagen waren, und nahm das Kätzchen vom Schoß. «Gut, Maxine ist wahrscheinlich noch nicht da, wir können gehen.»
    In Pantoffeln schlappte sie an ihm vorbei, und als er zögerte, bedeutete sie ihm mit einem ungeduldigen Nicken, daß er mitkommen solle. Er fragte sich, ob sie jetzt wohl beide mit ausgebreiteten Armen durch den Flur in ihre Gruft gleiten sollten.
    «Wohin?»
    «In die Küche», flüsterte sie und legte den Zeigefinger auf den Mund.
    Die Küche. Tee! Er folgte ihr über die enge Hintertreppe nach unten. Die Feuchtigkeit fühlte sich an, als stiegen Nebelschwaden auf.
    «Und was jetzt?» Er sah sich um, ob ein Kessel auf dem Herd stand.
    Emsig steckte sie den Kopf in einen großen Kühlschrank – in der Gasthofküche gab es zwei, außerdem eine große Tiefkühltruhe und einen riesigen Arbeitstisch. Der Boden war aus Stein und eiskalt. Sie holte Milch und anderes mehr heraus und klemmte es sich unter den Arm. «Sie muß gefüttert werden. Nehmen Sie das mal.»
    «Aha. Aber warum bist du eben mit ausgebreiteten Armen gelaufen?» Melrose ahmte sie nach. «Bist du Schlafwandlerin? Oder hast so getan, meine ich?»
    «Nein. Hier.» Sie übergab ihm ein Messer und einen kleinen Teller. «Schneiden Sie den Käse in kleine Stücke. Danke», sagte sie ohne den Anflug eines Lächelns.
    «Du hattest die Arme aus –» Melrose ließ nicht locker.
    Böse sagte sie: «Wir müssen uns beeilen, sonst kommt noch jemand. Können Sie den Käse nicht schneller schneiden? Sie sind ja immer noch nicht fertig. Ich bin mit meinem schon fast soweit. Essen Sie Wild?» Sie sah zu der großen Gefriertruhe hinüber. «Ich finde es schrecklich, Rehe und Hirsche zu töten und zu essen. Sie müssen der Gast sein.» Sie war gar nicht überrascht, daß der einzige Gast im «Hirschsprung» sich von ihr herumkommandieren ließ und gegen sieben Uhr morgens hier unten Küchendienst schob.
    «Ich hätte nichts gegen eine Tasse Tee als Dank für meine Mühe», sagte er und schnitt den Käse in Stücke.
    «Wir haben keine Zeit. Können Sie nicht kleinere Stücke schneiden?»
    «Wir füttern keine Maus, sondern

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