Inspektor Jury steht im Regen
Jukebox und versetzte ihr einen Schlag in die Seite, als sie nicht gleich reagierte.
Jury hätte den ganzen Weg vom Präsidium herlaufen können wie der Kurier auf dem riesigen Gemälde, das dem Pub seinen Namen gegeben hatte. Wie schnell er auch immer wäre, nie wäre er schnell genug. Die Zeit tanzte auf eigentümliche Weise um Macalvie herum. Er griff den Faden stets dort wieder auf, wo er ihn hatte fallenlassen. Ob vor zwei Jahren oder zehn Minuten machte keinen Unterschied. Genauso wie der Mord vom letzten Jahr für Macalvie immer noch aktuell war. Er gab niemals auf.
Jury lächelte. «Die Welt bewegt sich in drei Zeitläuften, Macalvie: der göttlichen, Ihrer und der Greenwicher Zeit.»
Macalvie machte wohl gerade einen kurzen Zeitvergleich; denn er sah prüfend auf seine Armbanduhr und schüttelte sie, ehe er nickte. «Ja. Trinken Sie doch ein Bier. Aber nehmen Sie sich vor dem Gopher in acht; bei dem fallen sogar ’nein Brontosaurier die Schuppen ab.» Er nahm sein Glas von der Musikbox und ging zu einem der Tische unter dem Gemälde.
Als Jury mit seinem halben Liter zurückkam, stand Macalvie mit dem Glas an den Lippen da und betrachtete das Bild. «Genau das sind wir, Jury, Boten. Ob gute Nachrichten oder schlechte Nachrichten – die Leute beschweren sich immer, egal was wir bringen.» Er setzte sich hin. «Wo ist Wiggins?»
Für einen Divisional Commander, der seine eigene Einmann-Truppe bildete, weil er bei den geringsten Anzeichen von Bummelei oder Drückebergerei ausrastete, überraschte es, daß er mit Wiggins so gut auskam. So gut Wiggins auch war, er konnte ziemlich langsam sein. Und Krankheit beeindruckte Macalvie nicht mehr als eine Fliege einen Geparden.
Macalvie holte eine Zigarre hervor. Das Zellophan blitzte wie seine Augen. Er war wie eine Feuersbrunst auf zwei Beinen, festverwurzelt in seiner schottisch-irischen Herkunft, der durch seine ausgeprägte Vorliebe für amerikanische Polizeifilme noch die Krone aufgesetzt wurde..
«Warum sind Sie eigentlich noch nicht Chief Constable, Macalvie?»
«Fragen Sie nicht mich», sagte er ohne eine Spur von Ironie. «Ich wäre früher hier gewesen, aber dieser Zug, der von Dorchester abgeht, hält an jedem Hühnerstall.»
«Sie sind ohnehin schnell gekommen, wenn man bedenkt, daß wir das Mädchen erst heute früh gefunden haben. Sie sehen da vermutlich eine Verbindung …»
«Natürlich. Sheila Broome, die auf einem Straßenabschnitt außerhalb von Taunton gefunden wurde. Zehn Monate hab ich drauf gewartet, daß er seinen zweiten Schuh verliert.»
«Waren Sie sich dessen so sicher? Und Ivy Childess ist der Schuh?»
Macalvie schoß einen Blick zu ihm hinüber. «Ja.»
«Ich will Ihre Theorie ja nicht anzweifeln, Macalvie …»
Als wenn Sie das könnten , sagte sein Blick.
«… aber Mörder sind nicht unbedingt Serientäter, und jeden Tag werden Frauen überfallen. Ich glaube nicht besonders an solche verblüffenden Übereinstimmungen.»
«Also, ich bitte Sie. Sie glauben doch genausowenig daran wie ich, daß das ein Raubüberfall werden sollte.»
Das stimmte allerdings. «Ich bin bloß konservativer, Macalvie.»
«Kein Wunder, daß Sie Superintendent geworden sind, Jury.»
Jury ging über die Bemerkung hinweg. «Also, erzählen Sie mir von dieser Sheila Broome.»
«Sie zog am Abend des 29. Februar los, um nach Bristol zu fahren. Sagt ihre Mum, nur daß sie Mum erzählt hat, sie hätte eine Mitfahrgelegenheit. Nach Bristol, wohlgemerkt. Da keiner ihrer Freunde etwas von der Reise wußte und niemand aus der Gegend sie mitgenommen hat, nehmen wir an, daß sie sich an die Straße stellte und per Anhalter fuhr. Sie war nicht zimperlich und hatte nichts Ungewöhnliches an sich. Schnupfte Koks und ging durch die Betten, wie ihre Freunde erzählten. Alter sechsundzwanzig, also kaum mehr ein Schulmädchen, nie verheiratet. Hübsch auf so ’ne trotzige Art, nicht gerade liebenswert, in der Schule nicht besonders und mit sechzehn abgegangen, also auch nicht ehrgeizig. Sie hat in einem Pub im neuen Teil von Exeter gearbeitet und dem Wirt nichts davon gesagt, daß sie abhauen wollte. Ein bißchen erinnert sie mich an eine alte Zeitung: Der Wind hätte sie bis nach Bristol wehen können, und keiner hätte es bemerkt.»
«Und was an diesem Mord veranlaßt Sie zu der Annahme, daß da mehr dahinterstecken könnte und Sheila Broome nicht einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort war?»
«Weil sie weder ausgeraubt noch vergewaltigt wurde. Und
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