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Inspektor Jury steht im Regen

Inspektor Jury steht im Regen

Titel: Inspektor Jury steht im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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William schwieg, um einen weiteren Marmeladenbatzen auf seinem Hörnchen zu plazieren, versuchte Melrose sich ein Pub voller Eichhörnchen vorzustellen.
    Der Junge fuhr fort: «Das Squirrel and Pickle, das Squirrel and Mouse, Sie wissen schon … in jedem ist ein Eichhörnchen. Deswegen wollen sie eine Geschichte über ein Eichhörnchen, damit sie jeden Monat ein kurzes Stück daraus auf ihre Bierdeckel drucken können. Hier …»
    Er griff in seine Hosentasche und brachte ein schon etwas verschmutztes Pappdeckelquadrat zum Vorschein. Man sah darauf die Abbildung eines Eichhörnchens, das, in ein kariertes Badetuch gewickelt, behaglich in seiner Baumhöhle saß, und darunter stand: «Fünfzig Pfund Preisgeld. Mum will eine Heizung in der Toilette haben. Ich kann es nicht ausstehen, wenn ich noch verschlafen bin und auf die Toilette runter muß. Heute morgen war die Kette vereist.»
    «Klingt ja ziemlich seltsam.»
    «Kann ich einen Tee haben?»
    «Was? Oh, ja. Ich glaube, er ist noch heiß.» Vorsichtshalber übernahm Melrose das Einschenken. «Wie weit bist du denn bis jetzt?» Er wies auf Williams Notizheft.
    William hörte auf, den Tee zu schlürfen, und öffnete das Heft. «‹Sidney fiel nach hinten. An seinem Anorak klebte Blut. Die seltsame Gestalt verschwand im Gebüsch.› Sidney ist das Eichhörnchen.»
    «Eine spannende Geschichte. Und woher kommt das Blut?»
    «Ich weiß nicht.»
    «Ist er tot? Oder stirbt er gerade?»
    «Ich weiß nicht.»
    Melrose überlegte, ob Polly Praed vielleicht auf diese Weise ihre Krimis schrieb.
    «Sein Freund Weldon ist vielleicht tot», sagte William und leckte die Marmelade vom Messer.
    «Wer ist Weldon?»
    «Ein Wiesel.»
    Allmählich klang das nach einer nicht ganz jugendfreien Version von Der Wind in den Weiden. «Ist Weldon umgebracht worden?»
    «Wer weiß. Vielleicht mit einem Messer», sagte er und benutzte sein eigenes zu Demonstrationszwecken.
    Melrose rückte seinen Stuhl ein wenig zurück. «Was soll denn die Leiche im Gebüsch?»
    «Ich weiß nicht.»
    War schon besser, wenn ein Warboys seinen angeborenen Zerstörungswahn so abreagierte, auch wenn die Geschichte noch einige Lücken aufwies. «Ich finde, du hast da noch keine rechte Ausgangsbasis. Vielleicht wirst du trotzdem eines Tages noch mal reich, wenn du beim Geschichtenschreiben bleibst.»
    William meinte, er mache sich nichts aus Reichtum. Er hätte bloß gern eine Heizung auf dem Klo.
    «Das klingt vernünftig. Mir wär’s lieber, du würdest aufhören, mit diesem Messer rumzuspielen.»
    «Ich hatte mal ein Wiesel. Jetzt ist es wieder da draußen. Bei den anderen.»
    «‹Den anderen›?» Melrose fragte sich allmählich, ob dies vielleicht doch kein Wirtshaus, sondern ein hitchcocksches Motel war.
    «Genau. Auf dem Friedhof. Sie sterben, und ich begrab sie.» William wischte sich den Tod und die Krümel von den Händen und rüttelte Osmond wach. «Eine Dame und ein Herr wollen Sie übrigens sprechen.» Er wies mit dem Kopf nach hinten. «Draußen im Gang.»
    «Heißt das, sie warten schon die ganze Zeit?»
    «Sagten, ich soll Ihnen was ausrichten.» William war aufgestanden. Offensichtlich langweilte er sich und blinzelte schon nach der Küche, die viel interessanter zu sein schien.
    Melrose sprang auf. «Was denn?»
    William studierte seine Notizen. «Kann mich nicht mehr erinnern. Aber Sie können sie ja selber fragen.» Und schon war er weg, gefolgt von Osmond, der noch einmal nach Melroses Knöchel schnappte, bevor er tapptapp davontrottete.
     
     
     
    D ER M ANN WAR E DWARD W INSLOW , und Melrose hörte gerade noch den Schluß seiner Unterhaltung mit Nathan Warboys, der jetzt mal nachsehen wollte, was das Dröhnen und Hämmern in der Schankstube zu bedeuten habe.
    Sie seien hergekommen, sagte Lucinda, um Melrose zum Morgenkaffee abzuholen. David sei aus London eingetroffen.
    Der Gesichtsausdruck, mit dem sie von David sprach, bestätigte erneut Melroses Überzeugung, daß Liebe mit Sicherheit blind macht. Er mußte David Marr gar nicht mehr kennenlernen, um sich darüber zu wundern, wie eine junge Frau diesem Edward Winslow noch einen anderen Mann vorziehen konnte.
    Er war äußerst attraktiv: Haare in der Farbe von hellem Portwein, Augen wie feuriger Brandy. Vielleicht war es die Nähe des Tresens und Nathans Fixierung auf seinen schönen Vorrat von Bieren und Spirituosen, die Melrose diese hochgeistigen Metaphern eingab. Dennoch waren das die Farben Winslows. Und der Rest von ihm war dieser

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