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Inspektor Jury steht im Regen

Inspektor Jury steht im Regen

Titel: Inspektor Jury steht im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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…?»
    Macalvie beobachtete fasziniert die herunterfallenden Tropfen und sagte: «Der Fahrer war es nicht. Es gab keinerlei Anzeichen, daß in diesem Gehölz ein Lkw gestanden hat … Wiggins, was ist das eigentlich für ein Zeug?»
    Das Bier hatte eine seltsame Farbe angenommen. «Ich hab es auf der Brust.» Er hustete und schlug sich mit der geballten Faust auf die Brust.
    «Wahrscheinlich ein Marsmännchen», sagte Macalvie und wandte sich wieder seinen Würstchen zu. «Die Kellnerin sagte, daß er Sheila, gleich nachdem sie aus dem Little Chef kamen, am Straßenrand abgesetzt hat. Diese Higgins hat bestimmt nicht gelogen und ist offensichtlich sehr aufmerksam. Auch wenn sie das Foto von David Marr, das wir ihr gezeigt haben, nicht identifizieren konnte. Jedenfalls nicht mit letzter Sicherheit ja oder nein sagen konnte. Bloß, daß er ihr ‹irgendwie bekannt› vorkam. Das ist schon mal ein Ausgangspunkt. Nur, daß ihr dann der Constable, den ich zum Kaffeeholen reinschickte – er ist ebenfalls groß und dunkel wie Marr – auch irgendwie bekannt) vorkam. Ich glaube, sie war zu sehr darauf erpicht, uns zu helfen.»
    Wiggins ließ den gelben Tropfen rosa Kristalle folgen, die er vorsichtig aus einer kleinen, weißen Tüte ins Bier klopfte. «Offensichtlich sind Sie überzeugt, daß es jemand war, der Sheila gekannt hat. Dieses Schweigen im Café könnte bedeuten, daß sie sich gestritten hatten und der Streit in dem Moment, als sie ins Führerhaus stieg, wiederaufgeflammt ist.» Er trank sein Bier, das einen kitschigen, ins Gelbliche spielenden Rosaton angenommen hatte.
    «Was haben Sie eigentlich, Wiggins, die Pest? Ja, sie haben sich gekannt. Ich behaupte weiterhin, daß sie sich gekannt haben.»
    «Der Schal sieht mir nicht nach einem vorbedachten Plan aus, Macalvie. Es klingt eher nach spontaner Eingebung.»
    Macalvie zuckte die Achseln. «Nicht, wenn er wußte, daß sie immer einen trägt. Das tun ja die meisten Frauen. Aber egal, glauben Sie, daß er vielleicht noch was anderes dabei hatte? Ein Messer oder eine Schußwaffe?»
    Jury schüttelte den Kopf. «Wie ich schon sagte, es könnte sein, daß Sheila einfach zur falschen Zeit am falschen Ort war.»
    «Das klingt so, als sei es eben Schicksal, Jury. Ich glaube nicht daran, daß unser Schicksal in den Sternen steht.»
    «Soll aber vorkommen.»
    «Nicht in Devon.» Macalvie lächelte.

15
    D AS H AUS SELBER HATTE keinen Namen. Durch die Dämmerung und den fallenden Schnee erfaßten Jurys Scheinwerfer nur eine kleine Bronzetafel, die als Aufschrift lediglich das Wort Winslow trug und in eine Steinsäule am Ende der gewundenen Auffahrt eingelassen war. Einige Augenblicke blieb er noch im Wagen sitzen, rauchte und blickte zu dem kleinen Wald hinüber, wo heruntergefallene Äste und verfaulende Stämme verrieten, daß der Parkwächter – falls es einen gab – sich um alles kümmerte, nur nicht um den Park. Er schlug die Tür seines Ford zu und löste dadurch eine kleine Lawine aus, die von der Kühlerhaube zu Boden fiel.
    Jury zog an der Glocke und sah an der glatten grauen Hausfront hoch. Er hätte das Haus sicher nicht als Zufluchtsstätte erwählt, wenn es auch bestimmt sehr ruhig war. Oder vielmehr trostlos, dachte er. Aber vielleicht steigerte gerade das noch seine baroneske Pracht.
    Ein bäuerlich wirkender Mann, dessen Gesicht von den winzigen Aderchen des starken Trinkers durchzogen war, öffnete die Tür und steckte den Kopf durch den Spalt. Er musterte Jury mit einem Mißtrauen, das noch zunahm, als Jury ihm seinen Dienstausweis zeigte und sagte, er wolle Mrs. Winslow sprechen.
    Der Mann öffnete die Tür etwas weiter und winkte ihn heran, als wolle er einen Zaudernden über die Schwelle locken. «Kommen Se rein. Ich sach Bescheid.» Sicher war er kein richtiger Butler, wahrscheinlich der Parkwächter oder Gärtner.
    Die Eingangshalle war riesig und kalt und verstärkte mit den Rüstungen an der einen Wand und den Nischen mit Gipsbüsten von Heiligen oder Göttern an der anderen den Eindruck aristokratischer Pracht. Eine auf Hochglanz gewienerte Mahagonitreppe führte in der Mitte des Raumes hinauf zur Galerie im ersten Stock. Er ging zum Endpfosten des Geländers und blickte hinauf. Das Gemälde, das Plant am Telefon erwähnt hatte, zeigte eine blonde junge Frau und ein kleines Mädchen von vielleicht sieben oder acht Jahren.
    Zu beiden Seiten des Eingangs gestattete ein Bogenfenster spärliche Aussicht auf den Wald. Langsam schwebte der Schnee

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