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Inspektor Jury steht im Regen

Inspektor Jury steht im Regen

Titel: Inspektor Jury steht im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Augen legte und durch die Glastür (mit einem Schild «Verkäuferin gesucht») blickte, dachte er, der Laden sei über Mittag geschlossen, weil er so dunkel war. Aber Wiggins hatte angerufen und sie angemeldet. Er drehte den Knauf, und die Tür öffnete sich. Wiggins riß sich von Merlin und den drei Kindern los und folgte ihm.
    Wie im Kino, an dessen Dunkel man sich ebenfalls erst gewöhnen muß, war es auch im Starrdust düster wie in einer Höhle. Jury blinzelte. Der Raum war ziemlich lang und schmal, und die hintersten Ecken konnte er überhaupt nicht erkennen. Wer für die Einrichtung des Ladens verantwortlich war, hatte sehr viel Phantasie an den Tag gelegt. Falls es Andrew Starr war, hatte er wohl das Glück gehabt, nie so richtig erwachsen geworden zu sein. Es gab auch eine Beleuchtung, strahlende Lichtpünktchen, die Jury ans Lesen unter der Bettdecke mit einer Taschenlampe erinnerten. Allmählich wurde es etwas heller. In einer Ecke befand sich ein Haus in Kindergröße, das im gleichen Neonblau wie das Schild bemalt und mit astrologischen Symbolen bedeckt war und über dessen Tür ein Schild mit der Aufschrift Horror-Raum leuchtete. Die Kinder, die nicht danach aussahen, als hätten sie alle drei zusammen auch nur einen Penny, waren mit Jury und Wiggins hineingeschwärmt und steuerten auf das Spielhaus zu. Offensichtlich waren sie mit den Wundern des Starrdust wohlvertraut. An den langen Wänden standen in regelmäßigen Abständen mehrere große Regale. Dazwischen hingen silbergerahmte Fotos von Filmstars aus längst vergangenen Zeiten, wie Judy Garland und Ronald Colman. Sie alle blickten durch das Geglitzer der Sterne und Monde aus der Vergangenheit herüber. Jury warf einen Blick auf die Bücher und sah, daß sie wirklich antiquarisch und wie eine Mondbibliothek inmitten der Monde und Sterne aufgestapelt waren.
    Die pièce de résistance aber hatte Wiggins entdeckt, der zur gewölbten Decke hinaufstarrte, die der Eigentümer äußerst vorteilhaft genutzt und in eine Art Pseudoplanetarium verwandelt hatte. «Sehen Sie sich nur das an», sagte Wiggins schon zum zweitenmal. «Das ist ja wie bei Madame Tussaud.»
    «Nicht ganz», sagte Jury und betätigte sich selber als Sterngucker. «Sehen Sie, da verschwindet Venus …» Ein Licht verlosch allmählich hinter dem Planeten. «… und da kommt Mars.» Stumm knipste sich ein Licht an. Die Sternenanlage ließ ihre kleinen Lichter aufleuchten und verlöschen und vermittelte einem das unheimliche Gefühl, als bewege sich der Himmel.
    «Mir kommt es vor, als würde ich schweben», sagte Wiggins.
    Aus dem Horror-Haus drang ein fast schläfriges Gelächter. Von irgendwoher aus dem Hintergrund tönte scheppernd Hoagy Carmichaels Schlager «Stardust». Aber nicht besonders laut, nicht in Stereo. Überraschenderweise spielte man die sehr zerkratzt klingende Schallplatte auf einem simplen Plattenspieler ab. Die Zeit schien sich zu dehnen wie der Raum. Jury sah sogar auf seine Uhr, obwohl er wußte, daß er erst eine Minute, wenn nicht noch kürzer hier war.
    Aus der Tiefe des Raums näherten sich zwei Mädchen von vermutlich neunzehn oder zwanzig Jahren. Sie trugen graue Cordhosen und schwarze Bauernblusen, die mit einer Art Silberfaden durchwirkt waren, der im Licht der Planetariumdecke schimmerte. Beide hatten hellblondes Haar, das sie mit sternenbesetzten Kämmen zurückhielten, helle, fast opalisierende Haut, blau und silber umschattete Augen und perlmuttrosa Lippen, so daß das Licht, das über sie hinwegflutete, sich in einen zerfließenden Regenbogen verwandelte. Man hätte sie für Zwillinge halten können, obwohl sie das nicht waren, ja vielleicht nicht einmal Schwestern. Eine fragte, ob sie ihnen behilflich sein könnten. Die andere kicherte ein wenig. Worauf ihr die erste einen warnenden Blick zuwarf. Aber sie strahlten so viel gute Laune aus, daß Jury selber ein wenig schmunzeln mußte, wie sie so kerzengerade dastanden und sich um die Taillen faßten wie Schlittschuhläuferinnen auf einem Teich.
    Auf Jurys Reaktion hin strahlten ihre heiteren Gesichter, falls das überhaupt noch möglich war, gleich noch mehr, fast so, als seien hinter ihren Augen die Sternenlichter angeknipst worden. Er zeigte ihnen seinen Dienstausweis.
    «Oje!» sagte eine von den Starrdust-Zwillingen. «Da wollen Sie sicher mit Andrew sprechen. Wissen Sie, er hat uns gesagt, wir sollen nach zwei Polypen –» Sie hustete, errötete und sagte: «Entschuldigung, aber Sie sehen beide

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