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Inspektor Jury steht im Regen

Inspektor Jury steht im Regen

Titel: Inspektor Jury steht im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Male in Shepherd Market besucht, aber ich war nie in diesem Pub …» Mitten im Satz brach er ab.
    «Ich habe nichts von Shepherd Market gesagt.»
    Nervös suchte Winslow nach Zigaretten und Worten. «Ich habe nur angenommen …»
    «Ich verstehe. Vielleicht haben Sie mit Ihrer Frau oder Ihrem Schwager gesprochen?»
    «Ja, genau.»
    Das hätte dir früher einfallen müssen als mir, dachte Jury. «David Marr war, soweit bekannt, der letzte, der Ivy Childess lebend gesehen hat. Er steckt in der Klemme. Ich frage mich, ob Sie mir wohl etwas über ihn erzählen könnten.»
    «Wir sehen uns kaum, Superintendent. David kommt selten hierher, gewöhnlich nur, wenn Ned da ist.»
    «Ihr Sohn.»
    «Ja.»
    «Und Sie haben ein gutes Verhältnis zu ihm?»
    Hugh Winslow antwortete indirekt. «Er wohnte hier, als er nach London kam. Jetzt hat er sich eine Wohnung in Belgravia genommen.»
    «Aber wie kommen Sie miteinander aus?»
    «Nicht besonders. Dafür hat er ein überaus inniges Verhältnis zu seiner Mutter. Beide, Ned und David.» Sein Lächeln wirkte angestrengt.
    «Was meinen Sie mit ‹überaus›?»
    Hugh Winslow drückte seine Zigarette aus und goß sich einen Whisky ein. «Ich meinte nur ‹ein sehr inniges›, mehr nicht. Es ist nichts Unnatürliches, vor allem nicht im Hinblick auf Marion. Sie ist eine Frau, die in Männern starke Gefühle weckt.»
    «Auch in Ihnen, Mr. Winslow?»
    Er betrachtete Jury über den Rand seines Glases. «Ich verstehe nicht, was das mit – Miss Childess zu tun hat.»
    Jury lächelte. «Tun Sie mir den Gefallen.»
    Winslow seufzte. «Marion und ich haben uns irgendwie entfremdet. Seit dem Tod unserer Tochter.»
    «Das mit Ihrer Tochter tut mir leid, Mr. Winslow.»
    «Ja.» Er stand auf und begann ziellos im Zimmer herumzuwandern, im Feuer zu stochern und sich dem hohen Fenster zu nähern. Er erinnerte Jury an Marion Winslow. «Es ist direkt da draußen passiert», sagte er und nickte zur Straße hinaus. «Der Fahrer wurde nicht bestraft – es war wohl auch nicht seine Schuld. Er schien tatsächlich ein anständiger Bursche zu sein. Wells oder so ähnlich hieß er.»
    «Miles Wells. Ich habe im Unfallbericht nachgesehen. Zehn Uhr abends, nicht wahr?»
    Hugh nickte abwesend und setzte seinen Gedankengang fort. «Ich glaube, ja. Es ist schwer, wenn man für perfekt gehalten wird, wissen Sie. Denn dafür hielten sie Phoebe offensichtlich. Das hat ihr wohl nur sehr wenig Luft zum Atmen gelassen. Sie hatte durchaus Temperament, wie andere Kinder auch. Sie war nur ein kleines Mädchen, keine heilige Ikone. Aber seitdem scheint sich alles verändert zu haben.»
    «Bis zu ihrem Tod waren Sie und Ihre Frau also recht glücklich, nicht wahr?»
    «Würde ich schon sagen, ja.»
    «Dennoch gab es andere Frauen, Mr. Winslow.»
    Hugh Winslow war zu seinem Sessel am Kamin zurückgekehrt. Ein dunkler, lederner Ohrensessel, und wieder mußte Jury an die Unterhaltung mit seiner Frau denken. Ein seltsames Gefühl, wie bei einem Déjà-vu-Erlebnis.
    Hughs Lächeln war ein wenig frostig. «Tja, das stimmt. Sie verstehen das vielleicht nicht, aber Marion ist so ziemlich die vollkommenste Frau, die ich je kennengelernt habe …»
    «Und es war schwierig für Sie, mit der Vollkommenheit zu leben.»
    Er nickte. «Aber wenn Sie etwas über David erfahren wollen, wäre es besser, Marion zu fragen.» Er schenkte sich einen weiteren Drink ein.
    Hugh Winslow wirkte so allein wie die privilegierten Spaziergänger im Park gegenüber. Ohne Schlüssel würde man nicht in sein Inneres dringen.
    «Ich habe mich schon mit ihr unterhalten. Ich wollte mich bei Ihnen eigentlich auch nicht speziell nach David Marr erkundigen. Sondern nach Ivy Childess.»
    Die Karaffe hing in der Luft. Dann setzte er sie ab, stöpselte sie wieder zu und sagte: «Ich weiß wirklich nicht, was Sie meinen.» Es war ein schwacher Versuch, seine Gelassenheit zurückzugewinnen. Der Schlüssel hatte sich gedreht, das Tor stand offen.
    «Es soll heißen, daß Sie Ivy Childess kannten.»
    «Ich bin ihr einmal begegnet. Hier, auf einer kleinen Cocktail-Party.»
    «Und seitdem trafen Sie sie immer wieder, nicht wahr? Im Running Footman.»
    Er warf einen Blick auf das ausgehende Feuer. Dann wandte er den Kopf: «Ja.»
    «Aber warum haben Sie sie in dem Pub getroffen, in das Ihr Schwager doch häufig kam?» Jury glaubte, die Antwort darauf zu wissen.
    Und er erhielt die Bestätigung, als Winslow sagte, es sei Ivys Idee gewesen. Ihr habe es dort gefallen. «Aber

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