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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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nur die leiseste Vorstellung von dem, was ihm zugestoßen ist. Die Ingenieure können die Maschine nicht finden und wir nicht seinen Verstand. Überlassen wir die Maschine den Ingenieuren und kümmern wir uns um die medizinischen Aspekte des Falls.«
    Ich sagte nichts und gab ihnen Zeit, Dampf abzulassen, damit sie wieder vernünftig argumentieren konnten, anstatt in ihrer Verzweiflung mich anzugreifen.
    Sie blickten mich an, schwiegen widerwillig und versuchten, mich dazu zu bringen, in dieser unangenehmen Angelegenheit die Initiative zu ergreifen.
    »Öffnen Sie die Tür«, befahl ich. »Er wird schon nicht fortlaufen. Er möchte nur flach daliegen.«
    »Flacher als ein schottischer Pfannkuchen in einer chinesischen Hölle«, brummte Grosbeck, »und es führt zu nichts, wenn wir ihn in dieser Stellung belassen. Einst war er ein menschliches Wesen und die einzige Möglichkeit, ein menschliches Wesen dazu zu bringen, ein menschliches Wesen zu sein, ist, an sein menschliches Selbst zu appellieren und nicht an diese imaginäre flache Hälfte, die über ihn gekommen ist, während er draußen war – wo immer das auch sein mag.«
    Grosbeck verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln; hin und wieder war er in der Lage, das humoristische Element zu erkennen, das in seiner Vehemenz verborgen war. »Sollten wir vielleicht sagen, daß er unter dem Raum war, Sir und Doktor, Herr und Führer?«
    »Das ist eine gute Formulierung«, stimmte ich zu. »Später können Sie Ihre Idee mit der nackten Frau ausprobieren, aber offen gesagt glaube ich nicht, daß Sie irgendeinen Erfolg damit haben werden. Wenn er sich nicht in dieser grotesken Position befindet, dann entsprechen seine Denkprozesse denen von primitiven, wirbellosen Organismen. Wenn er nicht denkt, dann sieht er auch nicht. Wenn er nicht sieht, dann sieht er weder eine Frau noch sonst etwas anderes. Mit seinem Körper ist alles in Ordnung. Das Problem liegt im Gehirn. Ich bin noch immer davon überzeugt, daß wir uns auf das Gehirn konzentrieren müssen.«
    »Oder auf die Seele«, stieß Timofeyev hervor, dessen voller Name Herbert Hoover Timofeyev lautete und der aus dem religiösesten Teil Rußlands stammte. »Manchmal darf man die Seele nicht vergessen, Doktor …«
    Wir hatten das Zimmer betreten und starrten hilflos den nackten Mann an.
    Der Patient atmete sehr langsam. Seine Augen waren geöffnet. Es war uns nicht gelungen, ihn zum Zwinkern zu bringen – trotz des Einsatzes von Photoblitzen. Der Patient erlangte eine groteske und elementare Menschlichkeit, wenn man ihn zwang, seine flache Haltung aufzugeben. Sein Verstand besaß dann, intellektuell gesprochen, die Qualität eines gejagten, panikerfüllten, verwirrten Eichhörnchens. Wenn er angekleidet oder aufgehoben wurde, dann wehrte er sich wie ein Wahnsinniger und schlug wahllos auf alle Dinge und Personen ein.
    Der arme Colonel Harkening! Wir drei galten als die besten Ärzte der Erde, und wir konnten nichts für ihn tun.
    Wir hatten sogar versucht, die Art zu analysieren, mit der er kämpfte, um festzustellen, ob seine Muskel- oder Augenbewegungen Rückschlüsse auf jenen Ort gestatteten, wo er gewesen war, oder auf die Erlebnisse, die er gehabt hatte. Selbst das war vergeblich gewesen. Er kämpfte in gewisser Hinsicht wie ein neun Monate altes Baby und mit der Kraft eines Erwachsenen, ohne diese Kraft jedoch zielbewußt einzusetzen.
    Nie gab er einen Laut von sich.
    Er atmete schwer, wenn er kämpfte. Speichel tropfte ihm aus dem Mund. Schaum trat ihm vor die Lippen. Mit ungeschickten Handbewegungen riß er sich die Hemden und Jacken und Hosen vom Leib, die wir ihm anlegten. Manchmal ritzte er sich mit den Finger- und Zehennägeln die eigene Haut auf, um sich von Handschuhen oder Pantoffeln zu befreien.
    Immer kehrte er in die gleiche Position zurück.
    Auf dem Boden.
    Das Gesicht nach unten.
    Arme und Beine wie zu einem Hakenkreuz verkrümmt.
    Er war aus dem interstellaren Raum zurückgekehrt. Er war der erste Mensch, dem die Rückkehr geglückt war, und dennoch war er nicht hier.
    Während wir hilflos dastanden, machte Timofeyev den ersten ernsthaften Vorschlag des Tages.
    »Würden Sie das Risiko eingehen und einen sekundären Telepathen einsetzen?«
    Grosbeck sah schockiert drein.
    Ich ließ mir den Gedanken durch den Kopf gehen. Sekundäre Telepathen besaßen einen schlechten Ruf, denn man erwartete von ihnen, daß sie sich in den Krankenhäusern ihre telepathischen Kräfte nehmen ließen, sobald sich

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