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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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Verbrechen zu begehen, als ihr Gespenster hereinkamt und mich gerettet habt. Seid ihr imaginär? Seid ihr wirklich?«
    »Das ist eine philosophische Frage. Ich bin ein Produkt der Wissenschaft. Ich weiß es nicht«, gestand der Kapitän.
    »Bitte«, sagte Veesey, »könntest du uns verraten, wie es auf dich wirkt? Nicht wie es ist. Wie es wirkt.«
    Der Kapitän schien zusammenzufallen, als sei alle Selbstbeherrschung aus ihm gewichen – als würde er sich plötzlich schrecklich alt fühlen. »Wenn ich spreche und handle, dann fühle ich mich vermutlich wie jeder andere Raumkapitän. Wenn ich nicht mehr daran denke, dann bin ich mit einemmal sehr verwirrt. Ich weiß, daß ich nur ein Echo in euren Gedanken bin, entstanden aus der Erfahrung und der Weisheit, die dem Würfel verliehen wurde. So nehme ich an, daß ich genau das mache, was richtige Menschen machen. Ich denke nicht sehr viel darüber nach. Ich kümmere mich um meine Arbeit.« Er reckte und streckte sich und war wieder ganz er selbst. »Um meine Arbeit«, wiederholte er.
    »Und Sh’san«, fragte Trece, »was fühlst du, wenn du an ihn denkst?«
    Etwas wie Ehrfurcht – fast schien es Entsetzen zu sein – glitt über das Gesicht des Kapitäns. »Er? Oh, er.« Der bewundernde Tonfall machte seine Stimme voller und ließ sie in der kleinen Kabine des Raumschiffes hallen. »Sh’san. Er ist der Denker alles Denkenden, das Sein allen Seins, der Handelnde aller Handlungen. Er ist so mächtig, daß es all eure Vorstellungskraft übersteigt. Er erweckt mich in euren Gedanken zum Leben. An sich«, schloß der Kapitän knurrend, »ist er ein totes Mäusegehirn, das auf Plastik lamelliert wurde, und ich habe nicht die geringste Vorstellung, wer ich bin. Ich wünsche euch allen eine gute Nacht!«
    Der Kapitän setzte seine Mütze auf und verschwand geradewegs durch die Wand. Veesey hastete zum Sichtfenster, aber draußen vor dem Schiff war nichts zu erkennen. Nichts. Gewiß kein Kapitän.
    »Was bleibt uns anderes übrig«, fragte Talatashar, »als zu gehorchen?«
    Sie gehorchten. Sie kletterten in ihre Kältebetten. Talatashar schloß die richtigen Elektroden an Veesey und Trece an, bevor er sein Bett aufsuchte und sich ebenfalls präparierte. Freundlich verabschiedeten sie sich voneinander, während sich die Deckel senkten.
    Sie schliefen.
     
     
6
     
    An ihrem Ziel angelangt, wurden die Kapseln, die Segel und das Schiff selbst von den Bewohnern von Wereld Schemering übernommen. Sie weckten die Schläfer erst, als sich alle sicher auf dem Boden befanden.
    Die drei Kabineninsassen wurden zusammen geweckt. Veesey, Trece und Talatashar waren so sehr damit beschäftigt, die Fragen über den toten Segler, die reparierten Segler und ihre Schwierigkeiten auf der Reise zu beantworten, daß sie keine Zeit hatten, miteinander zu sprechen. Veesey bemerkte, daß Talatashar offenbar sehr hübsch war. Die Hafenärzte hatten sich um sein Gesicht gekümmert, und jetzt erinnerte er an einen seltsam würdevollen, jungen alten Mann. Schließlich fand Trece Gelegenheit, einige Worte mit ihr zu wechseln.
    »Leb wohl, Kindchen«, sagte er. »Geh hier eine Weile zur Schule und such dir dann einen guten Mann. Es tut mir leid.«
    »Was tut dir leid?« fragte sie und eine schreckliche Furcht keimte in ihr auf.
    »Daß ich mit dir herumpoussiert habe, bevor all dieser Ärger begann. Du bist noch ein Kind. Aber du bist ein gutes Kind.« Er fuhr mit den Fingern durch ihr Haar, machte auf dem Absatz kehrt und war fort.
    Sie stand da, vollkommen verloren, mitten im Zimmer. Sie wünschte, weinen zu können. Wozu war sie auf der Reise benutzt worden?
    Unbemerkt war Talatashar herangetreten.
    Er reichte ihr seine Hand. Sie ergriff sie.
    »Bis demnächst, Kind«, sagte er.
    Schon wieder Kind? dachte sie. Zu ihm sagte sie höflich: »Vielleicht sehen wir uns wieder. Dies ist eine hübsche kleine Welt.«
    Sein Gesicht erhellte sich zu einem merkwürdigen, zustimmenden Lächeln. Es war solch ein wundervoller Unterschied zu der Lähmung, die bis vor kurzem noch die eine Hälfte verunstaltet hatte. Er sah gar nicht mehr alt aus, ganz und gar nicht alt.
    Seine Stimme klang drängend. »Veesey, denk an das, woran auch ich denke. Denk an das, was beinahe geschehen wäre. Ich erinnere mich an die Dinge, die wir glaubten gesehen zu haben. Vielleicht haben wir all diese Dinge gesehen. Hier auf dieser Welt hätten wir sie nicht gesehen. Aber ich möchte, daß du daran denkst. Du hast uns alle gerettet. Auch

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