Intelligenz aus dem Nichts
Henny. »Es – es ging Ihnen nicht gut. Wir wollten Ihnen nur helfen.«
»Damit werden Sie nicht weit kommen!« Der Mann auf dem Bett warf die Decke zurück und schwang die Beine auf den Boden. »Die Polizei wird eine Großfahndung einleiten und …« Er bemerkte seine nackten Beine. Seine Augen weiteten sich vor Grauen.
Zuck . »Ich will meine Mammie«, wimmerte er. Er steckte den Daumen in den Mund.
»Du hast recht«, murmelte Angelique. »Er ist wirklich verrückt. Wir müssen uns was einfallen lassen. Einfach hinausschmeißen können wir ihn nicht. Er wird reden. Bestimmt sucht ihn die Polizei. Es bleibt uns nichts übrig, als ihn eine Weile hierzubehalten und dann später vielleicht über die Staatsgrenze zu schaffen.«
Beide betrachteten überlegend den Mann auf dem Bett. Er nahm den Daumen aus dem Mund. »Ich habe Hunger!« erklärte er.
Henny fluchte. »Hol ihm ein Sandwich.«
»Hast du Brot im Haus?«
»Nimm doch dein eigenes. Du hast mir schließlich die Suppe eingebrockt.« Henny holte ein schmutziges Schnupftuch aus der Tasche und fuhr sich damit über die Lippen, die Stirn und den Nacken. »Ich muß genauso verrückt sein wie der Bursche, daß ich auf dich gehört hab’.«
»Ich hol’ was zu essen. Sieh zu, daß er sich ruhig verhält.«
»Beeil dich. Ich bin nicht gern mit einem Irren allein.«
2.
Nach zwei Stunden wurde Henny klar, daß Angelique nicht zurückkommen würde. Er fluchte und wischte sich den Schweiß von der Stirn, dann rannte er im Zimmer auf und ab. Der Mann lag ruhig auf dem Bett und sah ihm zu.
Henny holte ein paar Sachen aus einer Ecke, die mit einem Vorhang verhängt war, dann warf er ein grünschwarzes Hemd und eine Khakihose mit Ölflecken auf das Bett. »Zieh dich an!« befahl er.
Das Hemd war auf das Gesicht des Mannes gefallen. Henny zog es zur Seite. Der Mann lachte und deckte sich wieder damit zu.
»Verdammt, ich spiel nicht Verstecken mit dir!« brüllte Henny wütend. Er packte den Mann am noch feuchten braunen Haar und zerrte ihn hoch.
»Nimm deine Pfoten von mir!« sagte der Mann drohend und stieß mit dem Fuß nach Henny, daß der aufwimmerte.
»Ich brauch’ was zu trinken! Wo bin ich hier überhaupt?«
»Nur ruhig!« Henny wurde es unheimlich, wenn der Mann vernünftig sprach.
Der Fremde ließ sich wieder auf das Kissen fallen. »Ich habe Schmerzen«, erklärte er. »Alles tut mir weh. Geben Sie mir was zu trinken.«
Henny holte eine Flasche aus einer Schublade. Der Mann setzte sich auf und nahm einen tiefen Schluck. Er würgte, ließ die Flasche fallen und spuckte den Whisky auf die graue Wolldecke.
Henny fluchte wie ein Droschkenkutscher. »Jetzt reicht’s mir aber. Zieh dich an!«
Der Mann hatte die Augen geschlossen. »Mir ist schlecht«, wimmerte er.
»Wenn ich erst mit dir fertig bin, wird dir noch schlechter sein!« Henny zog ihm die Decke weg. Er erschrak, als er den ausgemergelten Körper jetzt im Licht sah. »Kannst du aufstehen?«
»Nein. Gehweg!«
»Wer zum Teufel bist du eigentlich?«
»Sally Ann Seymour.«
Henny wußte nicht, ob er lachen oder heulen sollte. »Steig aus dem Bett, Sally Ann. Wir machen einen Spaziergang.«
»Ich kann nicht. Ich liege im Sterben. Ich habe vielleicht, wenn es gut geht, noch eine Woche. Ich kann nicht gehen. Ich habe Gebärmutterkrebs.«
Wütend zerrte Henny den Mann aus dem Bett. »Und jetzt zieh dich endlich an, oder ich schlag’ dich noch schlimmer zusammen als die Bullen!«
Der Mann wimmerte, dann starrte er an sich hinunter. Er stieß einen erstickten Schrei aus und fiel ihn Ohnmacht.
Henny brummte etwas vor sich hin, dann hob er ihn wieder auf das Bett, und begann das viel zu große Hemd über die schlaffen Arme zu ziehen. Zehn Minuten brauchte er, bis er den Bewußtlosen angekleidet hatte. Als er ihm seine alten Schuhe zuschnürte, kam der Verrückte wieder zu sich. Er blickte sich benommen um. »Was ist passiert?« erkundigte er sich.
»Du hast schlapp gemacht. Steh jetzt auf!«
»O Mann, o Mann«, stöhnte der Fremde. »Ich kann mich an gar nichts erinnern. Was ist nur mit mir los?«
»Geh’n wir.« Henny zerrte ihn am Arm. Zittrig stand der Mann auf.
»Ich fühle mich nicht allzuwohl«, murmelte er. »Aber es wird schon gehen. Rufen Sie mir bitte ein Taxi.«
»Ja, Taxi. Gute Idee. Komm jetzt.«
»Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie sich meiner angenommen haben. Sie werden es nicht bereuen müssen. Habe ich Ihnen große Schwierigkeiten gemacht?«
»Verdammt ja,
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