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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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trug, war vielleicht nicht gerade so gefährlich, wie mit einem aufgemotzten Motorrad in die Snake-River-Schlucht hinabzufahren, aber zweifellos ein Risiko. Sie war zwar zuversichtlich, daß sie es bis zum Fuß der Treppe schaffen würde, ohne vornüber zu stürzen und sich an dem Beton den Schädel aufzuschlagen oder sich sechsunddreißigmal das Bein zu brechen – aber zuversichtlich hieß eben nicht völlig sicher. Da sie in den letzten vierundzwanzig Stunden kaum etwas gegessen und außerdem schon eine erschöpfende körperliche Tortur hinter sich gebracht hatte, war sie nicht mehr so stark wie sonst. Außerdem war sie wegen ihrer diversen Schmerzen wacklig auf den Beinen. Ein Abstecher in den Keller hörte sich zwar nicht großartig problematisch an, ließ sich unter diesen Umständen aber mit einem Hochseilakt vergleichen, vor dem der Artist vier doppelte Martinis gekippt hatte.
    Und selbst, wenn sie eine scharfzahnige Säge fand, die so klein war, daß sie sie handhaben konnte, würde sie sie nicht in einem Winkel einsetzen können, der es ihr ermöglichte, schnell und wirksam vorzugehen. Um die untere Kette von dem Stuhl zu befreien, mußte sie alle drei Querstangen zwischen den Stuhlbeinen durchtrennen, von denen jede drei oder vier Zentimeter dick war. Dazu würde sie sich sitzend vorbeugen und unter dem Stuhl  rückwärts  sägen müssen. Auch wenn die obere Kette ihr genug Spielraum ließ, um sich tief genug zu bücken, was sie bezweifelte, würde sie nur schwach an dem Holz kratzen können. Mit viel Glück würde sie die dritte Stange im Spätfrühling durchtrennt haben. Danach mußte sie sich dann den fünf stämmigen Sprossen in der Rückenlehne widmen, zwischen denen die obere Kette verlief, und nicht mal ein Schlangenmensch vom Jahrmarkt, der mit Gummiknochen geboren worden war, würde mit einer Säge an sie herankommen, wenn er so wie Chyna gefesselt war.
    Es war also unmöglich, die Ketten selbst zu durchtrennen. Sie käme zwar in einem Winkel an sie heran, der wesentlich besser war als der, aus dem sie bei den Verstrebungen zwischen den Stuhlbeinen vorgehen mußte; aber Vess würde wohl kaum Sägen besitzen, die Stahl durchtrennen konnten, und Chyna hatte auf keinen Fall mehr die dazu nötige Kraft.
    Sie mußte auf primitivere Mittel als Sägen zurückgreifen. Und ihr war klar, daß sie sich dabei ernsthaft verletzen konnte. Auf jeden Fall würde es sehr schmerzhaft werden.
    Auf dem Kaminsims sprangen die bronzenen Hirsche in ewiger Erstarrung über das runde, weiße Zifferblatt der Uhr und drückten ihre Geweihe aneinander.
    Acht Minuten nach sieben.
    Ihr blieben noch fast fünf Stunden, bis Vess zurückkehrte.
    Oder vielleicht auch nicht.
    Er hatte gesagt, er wolle so früh wie möglich  nach  Mitternacht zurückkommen, doch Chyna konnte sich nicht darauf verlassen, daß er die Wahrheit gesagt hatte. Vielleicht kam er um zehn Uhr zurück. Oder um acht. Oder in zehn Minuten.
    Sie hoppelte zu der gefliesten Feuerstelle auf Bodenhöhe hinüber und dann nach rechts, vorbei an der Brennkammer, dem Feuerbock aus Messing und der tiefen Kamineinfassung. Die gesamte Wand neben dem Kamin bestand aus glattem grauem Flußstein – genau die harte Oberfläche, die sie brauchte.
    Chyna richtete sich auf, stellte sich mit der linken Seite neben die Wand, drehte den Oberkörper so weit nach links, wie es ihr möglich war, ohne die Füße zu bewegen, so ähnlich wie ein Diskuswerfer, und drehte sich dann scharf und heftig nach rechts. Dieses Manöver schleuderte den Stuhl auf ihrem Rükken von ihr fort und ließ ihn gegen die Wand prallen. Er schepperte gegen die Steine, prallte unter Kettengerassel ab und knallte so hart gegen ihren Körper, daß ihre Schultern, Rippen und Hüften schmerzten. Sie versuchte es erneut, wobei sie noch mehr Kraft aufbrachte, erkannte aber am Geräusch, daß sie damit bestenfalls den Lack ankratzte und ein paar Splitter aus dem Holz schlug. Hunderte dieser lahmen Stöße mochten den Stuhl mit der Zeit in einen Haufen Anmachholz verwandeln; doch wenn sie ihn so oft gegen die Steinwand hämmerte und jedesmal den Rückstoß ertragen mußte, würde sie bald nur noch eine unkenntliche, blutige Masse sein, und ihre Knochen würden brechen und ihre Gelenke aufspringen wie die Glieder einer Kette aus dem Kaugummiautomaten.
    Wenn sie den Stuhl hin und her schwang, wie ein Hund mit dem Schwanz wackelte, würden ihre Bewegungen nie die erforderliche Kraft entwickeln können. Das hatte sie

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