Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
befürchtet. Sie sah lediglich eine Alternative, die vielleicht funktionieren könnte – aber die gefiel ihr nicht.
    Chyna warf einen Blick auf die Uhr auf dem Kaminsims. Seit sie zum letztenmal darauf geschaut hatte, waren erst zwei Minuten vergangen.
    Zwei Minuten waren nichts, wenn sie bis Mitternacht Zeit hatte, doch sollte Vess in diesem Augenblick bereits wieder auf dem Nachhauseweg sein, waren sie eine katastrophale Zeitverschwendung. Vielleicht bog er in diesem Moment von der öffentlichen Straße ab, fuhr durch das Tor auf seine Auffahrt, der verlogene Mistkerl, hatte ihr nur etwas vorgemacht, als er sagte, er sei bis Mitternacht fort, und schlich sich früher zurück und …
    Sie buk gerade einen dicken Laib Panik, schwer und hefig, und wenn sie nur eine einzige Scheibe davon aß, würde sie daran ersticken. Sie wagte es nicht, diesem Hunger nachzugeben. Panik war Zeit- und Kraftverschwendung.
    Sie mußte ruhig bleiben.
    Um sich von dem Stuhl zu befreien, mußte sie ihren Körper wie eine Druckluft-Ramme einsetzen, und sie würde starke Schmerzen ertragen müssen. Sie hatte bereits Schmerzen, aber das, was ihr bevorstand, würde noch schlimmer werden, verheerend – und davor hatte sie Angst.
    Bestimmt gab es eine andere Möglichkeit.
    Sie stand da und lauschte auf ihren Herzschlag und das hohle Ticken der Uhr auf dem Kaminsims.
    Wenn sie zuerst nach oben ging, würde sie vielleicht ein Telefon finden und die Polizei anrufen können. Diese Leute würden mit den Dobermännern umzugehen wissen. Sie würden Schlüssel haben, um sie von den Handschellen und Ketten zu befreien. Sie würden auch Ariel befreien. Mit diesem einen Anruf wäre die gesamte Last von ihr genommen.
    Aber im Grunde wußte sie – dank ihrer alten Freundin, der Intuition –, daß sie auch oben kein Telefon finden würde. Edgler Vess war ein gründlicher Mensch. Wenn er im Haus war, war das Telefon angeschlossen – aber nicht, wenn er es verlassen hatte. Wahrscheinlich stöpselte er das Ding sogar jedesmal aus und nahm es mit, wenn er ging.
    Gefesselt, vom Stuhl aus dem Gleichgewicht gebracht und daher gefährlich unbeholfen, ging Chyna das Risiko eines Sturzes ein, der sie zum Krüppel machen würde, wenn sie die Treppe hinaufstieg. Wenn sie oben kein Telefon fand, mußte sie wieder herunter, und das war ein noch größeres Risiko. Dieses Intermezzo wäre reine Zeitverschwendung.
    Sie drehte der steinernen Wand den Rücken zu, schlurfte zwei Meter von ihr fort, blieb stehen, schloß die Augen und nahm allen Mut zusammen.
    Vielleicht würde eine der Sprossen in der Rückenlehne zerbrechen und nach vorn getrieben werden. Dann würde das zersplitterte Ende das Kissen durchdringen oder an ihm vorbeigleiten und sie aufspießen, direkt durch ihre Eingeweide.
    Wahrscheinlicher war jedoch, daß sie sich eine Wirbelsäulenverletzung zuzog. Wenn die gesamte Wucht des Aufpralls gegen die untere Hälfte des Stuhls gerichtet war, würden dessen Beine gegen die ihren getrieben werden. Die obere Hälfte würde zuerst von ihr zurückweichen – und dann zurückschnappen und hart gegen das obere Drittel ihres Rückens oder ihren Nacken prallen. Die Sprossen steckten zwischen der Sitzfläche und dem halbkreisförmigen Holzstück, das als Kopflatte diente, und dieser obere Abschluß war so stabil, daß er großen Schaden anrichten würde, wenn er mit großer Kraft gegen ihre Halswirbel prallte. Vielleicht endete sie unter dem Stuhl und den Ketten auf dem Wohnzimmerboden, vom Hals abwärts gelähmt.
    Manchmal dachte sie zu viel über Möglichkeiten nach, verweilte wider jede Vernunft bei den Myriaden von Wegen, auf denen eine Situation oder eine Beziehung schrecklich entgleisen konnte. Das war auch eine Folge davon, daß sie ihre Kindheit damit verbracht hatte, unter statt auf der Matratze zu liegen und darauf zu warten, daß der Streit oder die Party ein Ende nahm.
    Als Chyna sieben Jahre alt gewesen war, hatten sie und ihre Mutter eine Weile bei einem Mann namens Zack und einer Frau namens Memphis in einer verkommenen alten Farm nicht weit von New Orleans gewohnt, und eines Abends waren zwei Männer zu Besuch gekommen, die einen Kühlbehälter aus Styropor mitgebracht hatten, und Memphis hatte sie keine fünf Minuten nach ihrer Ankunft getötet. Die Besucher hatten am Küchentisch gesessen. Einer von ihnen hatte mit Chyna gesprochen, und der andere hatte gerade eine Flasche Bier geköpft – als Memphis eine Pistole aus dem Kühlschrank nahm und beide

Weitere Kostenlose Bücher