Intensity
Mächte zu stehen, heben sich wie ein Nebel von ihm, und er verspürt nur noch Erstaunen über seinen kurzen Anfall von Leichtgläubigkeit. Er, der sich keine Illusionen über die Natur der Existenz macht. Er, der alles so klar sieht. Er, der den Vorrang der reinen Wahrnehmung kennt. Selbst ihm, dem rationalsten aller Menschen, ist richtig unheimlich zumute geworden.
Fast hätte er über seine Torheit gelacht – und sofort streicht er sie aus seinem Gedächtnis.
Die Frau muß jetzt den Fuß der Treppe erreicht haben.
Er wird ihr erlauben, den Keller zu erkunden. Schließlich ist sie ja, aus welchen bizarren Gründen auch immer, genau deshalb hierher gekommen, und Vess ist neugierig auf ihre Reaktion auf die Dinge, die sie entdeckt.
Er hat wieder Spaß.
Das Spiel geht weiter.
Chyna erreichte den Fuß der Treppe.
Die Außenwand aus verputztem Stein befand sich rechts von ihr. In diese Richtung ging es nicht weiter.
Links von ihr befand sich ein etwa drei Meter tiefer Raum, der über die gesamte Breite des Hauses verlief. Sie trat vom Fuß der Treppe in diese neue Kammer.
Am einen Ende standen der Brennkörper einer Ölheizung und ein großer elektrischer Wasserboiler. Am anderen Ende befanden sich hohe Vorratsschränke aus Metall mit Lüftungsschlitzen in den Türen, eine Werkbank und ein Werkzeugschrank auf Rollen.
Direkt vor ihr wartete in einer Wand aus Betonblöcken eine seltsame Tür.
Klick-wusch.
Chyna wirbelte nach rechts und hätte fast einen Schuß abgefeuert, bevor ihr klar wurde, daß das Geräusch von dem Ölofen gekommen war: Die elektrische Zündflamme war angesprungen und entfachte den Brennstoff.
Über dem Geräusch des Ofens konnte sie noch immer das schwingende Rohr hören. Tatta-tatta-tatta. Hier war es schwächer als auf der Treppe, aber noch immer deutlich zu vernehmen.
Die Musik aus dem Bad im ersten Stock hingegen konnte sie kaum ausmachen; da war nur noch ein ungleichmäßiger Melodiefaden, der hauptsächlich aus den Passagen der Blechbläser und einer klagenden Klarinette bestand.
Offensichtlich der Schallisolierung halber war die Tür in der Rückwand wie in einem Theater mit kastanienbraunem Lederimitat gepolstert, das von acht Nägeln mit großen runden Köpfen, die mit farblich passendem Vinyl bezogen waren, ähnlich wie bei einer Steppdecke in gleichmäßig große Rechtecke geteilt wurde. Die Türrahmen waren mit demselben Material gepolstert.
Kein Riegel, nicht einmal ein Schnappschloß behinderte ihr weiteres Vorgehen.
Chyna legte eine Hand auf das Vinyl und stellte fest, daß die Polsterung noch dicker sein mußte, als es den Anschein hatte.
Mindestens fünf Zentimeter Schaumstoff bedeckten das darunterliegende Holz.
Sie ergriff die lange, U-förmige Klinke aus rostfreiem Stahl.
Als sie daran zog, scharrte und kratzte die Tür leise an der Polsterung des Rahmens. Sie saß darin wie maßgeschneidert: Als sie die Tür so weit aufgezogen hatte, daß sie nicht mehr vom Rahmen umschlossen wurde, ertönte ein leises Geräusch, das an das Zischen erinnerte, mit dem sich eine Dose vakuumverpackter Erdnüsse öffnete.
Die Tür war auch auf der Innenseite weit über fünf Zentimeter dick gepolstert.
Hinter dieser neuen Schwelle lag ein zwei Meter durchmessender Raum mit niedriger Decke, der sie an eine Fahrstuhlkabine erinnerte, einmal davon abgesehen, daß außer dem Boden jede Oberfläche gepolstert war. Der Boden war mit einer Art Gummimatte bedeckt, wie man sie in vielen Restaurantküchen benutzte, damit die Köche es etwas bequemer hatten, die stundenlang im Stehen arbeiten mußten. Im schwachen Licht der in die Decke eingelassenen Lampe sah sie, daß es sich bei dem hier verwendeten Material nicht um Vinyl, sondern um graue Baumwolle mit knotiger Struktur handelte.
Die Seltsamkeit dieses Raums schärfte ihre Furcht, doch gleichzeitig war sie so sicher, den Zweck des gepolsterten Vorraums zu verstehen, daß sich ihr der Magen umzudrehen drohte.
Direkt gegenüber der Tür, die Chyna aufhielt, befand sich eine weitere. Sie war ebenfalls gepolstert und in einen gepolsterten Rahmen eingelassen.
Hier gab es endlich Schlösser. Der graue Stoff sparte zwei schwere Zylinderköpfe aus Messing aus. Ohne Schlüssel kam sie nicht weiter.
Dann bemerkte sie ein kleines, gepolstertes Paneel in der Tür selbst – auf Augenhöhe, vielleicht fünfzehn mal fünfundzwanzig Zentimeter groß und mit Hilfe eines Griffs zu bedienen. Es sah aus wie die Schiebefläche über der Sichtluke
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