Intensity
limettengrün gestrichen. Sie öffnete sie und sah eine Treppe, die in einen dunklen Keller führte, und ihr Herz schlug plötzlich schneller.
»Ariel«, sagte sie leise, aber da sie eher zu sich selbst als zu dem Mädchen gesprochen hatte, erfolgte keine Antwort.
Unten kein einziges Fenster. Nicht mal trübes graues Licht sickerte durch schmale Luken oder vergitterte Luftschächte. Es war dunkel wie in einem Verlies.
Aber es kam ihr komisch vor, daß das Arschloch die obere Tür nicht mit einem Riegel gesichert hatte, falls er hier unten ein Mädchen gefangenhielt. Da war nur das Schnappschloß, das sich bei einem Drehen des Knopfs öffnete und den Namen Schloß kaum verdiente.
Die Gefangene konnte natürlich unten in einem fensterlosen Raum eingesperrt oder sogar angekettet sein. Ariel hatte vielleicht nicht die geringste Möglichkeit, diese Treppe und die obere Tür zu erreichen, auch wenn sie tagelang hier allein zurückgelassen wurde.
Dennoch kam es ihr seltsam vor, daß er keinerlei Vorsorge für den Fall getroffen hatte, daß während seiner Abwesenheit ein Dieb in das Haus einbrach, in den Keller hinabging und das eingekerkerte Mädchen zufällig fand. Angesichts des offensichtlichen Alters des Gebäudes, seiner Rustikalität und des Fehlens entsprechender Bedienelemente bezweifelte Chyna, daß das Haus über eine Alarmanlage verfügte. Bei all den Geheimnissen, die der Mörder hatte, hätte er den Keller mit einer Stahltür und Schlössern sichern müssen, die so unüberwindbar waren wie die Tresorraumtür einer Bank.
Das Fehlen solcher Sicherheitsvorkehrungen konnte bedeuten, daß das Mädchen, das sie suchte, nicht hier war.
Chyna wollte sich mit dieser Möglichkeit nicht befassen. Sie mußte Ariel finden.
Sie beugte sich durch die Türöffnung, tastete an der Wand des Treppenhauses nach dem Lichtschalter und betätigte ihn. Sowohl am Anfang der Treppe als auch im Keller selbst leuchteten Birnen auf.
Die kahle Betontreppe – eine einzige Flucht – war steil. Sie schien viel neuer als das Haus selbst zu sein, war vielleicht erst vor relativ kurzer Zeit hinzugefügt worden.
Das schnelle Rauschen des Wassers durch die Leitungen und das harte Klopfen des lockeren Rohrs in der Wand verrieten ihr, daß der Mörder noch im Bad im ersten Stock beschäftigt war und alle Spuren seiner Verbrechen abschrubbte. Tattatatta-tatta …
Lauter als zuvor, aber noch immer flüsternd, sagte sie wieder: »Ariel.«
Keine Antwort aus der stehenden Luft unter ihr.
Lauter: »Ariel.«
Nichts.
Chyna wollte nicht in diese fensterlose Grube hinabsteigen, die man nur über diese Treppe wieder verlassen konnte, auch wenn die Tür oben über kein Schloß verfügte. Aber sie wußte nicht, wie sie den Abstieg vermeiden sollte, falls sie sich wirklich überzeugen wollte, ob Ariel hier war.
Tatta-tatta-tatta-tatta-tatta …
Es lief immer darauf hinaus, auch, nachdem die Kindheit schon lange vorbei und sie erwachsen war und angeblich alles unter Kontrolle, angeblich alles in Ordnung war; selbst jetzt lief es noch darauf hinaus. Allein, schwindlig vor Furcht, allein, hinab in einen öden-dunklen-engen Raum, keine Ausgänge, nur von einer verrückten Hoffnung aufrechterhalten. Der Welt war sie völlig egal, niemand würde sich Gedanken um sie machen oder nachforschen, wenn sie tot war.
Chyna lauschte aufmerksam auf die geringste Veränderung der Geräusche, die das fließende Wasser und das vibrierende Rohr erzeugten, und ging eine Stufe nach der anderen hinab. Die linke Hand umfaßte das Eisengeländer, und in der ausgestreckten rechten hielt sie den Revolver. Sie umklammerte ihn so fest, daß ihre Knöchel schmerzten.
»Chyna Shepherd, unberührt und lebend«, sagte sie zitternd. »Chyna Shepherd, unberührt und lebend.«
Auf halber Höhe der Treppe schaute sie zurück und hinauf. Am Ende einer Spur, die ihre nassen Schuhabdrücke hinterlassen hatten, schien die Kellertür einen halben Kilometer über ihr zu sein, so weit entfernt wie die Hügelkuppe von der Veranda des Hauses.
Alice hinab in das Kaninchenloch, in einen Aberwitz ohne Fünf-Uhr-Tee.
Auf der Schwelle zwischen der Eßecke und dem Wäscheraum hört Mr. Edgler Vess, wie die geheimnisvolle Frau Ariel ruft. Sie ist nur ein paar Schritte von ihm entfernt, um die Ecke, hinter der Waschmaschine und dem Trockner; es gibt also nicht den geringsten Zweifel daran, wessen Namen sie ausspricht.
Ariel.
Wie vor den Kopf geschlagen, steht er mit zusammengekniffenen
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