Internat auf Probe
erzählt, wie es in ihrer neuen Schule ist, dass sie neben einem Mädchen namens Pia sitzt und dass die Lehrer alle doof sind, bis auf Herrn Semmelmann, ihren Biolehrer.
Carlotta überlegt angestrengt, bevor sie weiterschreibt:
Der Junge aus meiner Klasse, von dem ich Dir erzählt hab (du weißt schon: Brendan), kommt aus Australien. Wahnsinn, oder? Hier kommen viele aus anderen Ländern. Ganz schön interessant, finde ich, obwohl ich noch nicht alle kennengelernt hab. Na, das wird sich hoffentlich noch ändern. Probleme mit der Sprache gibt’s nicht, weil die alle schon Deutsch als Fremdsprache gelernt haben. Echt praktisch.
Dass Du jetzt neben Pia sitzt, ist in Ordnung. Hauptsache, sie macht Platz, wenn wir im nächsten Schuljahr nebeneinander sitzen.
Für eine AG hab ich mich immer noch nicht entschieden. Übermorgen ist der letzte Tag. Wenn ich mir dann noch nichts ausgesucht hab, werde ich irgendwo reingestopft, ob ich will oder nicht.
Sofie geht in die Musik-AG, Manu hat sich für Reiten eingetragen. Sie hat erzählt, dass sie zu Hause Pferde haben. Wo sie herkommt, weiß ich immer noch nicht. Sie will nicht darüber reden. Scheint so was wie ihr Geheimnis zu sein. Komisch, oder?
Überhaupt ist Manu ziemlich merkwürdig. Manchmal ist sie richtig nett und im nächsten Moment dann wieder total mies drauf. So was von launisch, echt! Mit den Lehrern kriegt sie sich regelmäßig in die Wolle. Sie vergisst ihre Hausaufgaben, verstreut überall ihren Müll und ihre Klamotten und hat null Respekt vor niemandem. Leider hat sie es nicht geschafft, während der Probezeit vom Internat zu fliegen, obwohl sie sich echt Mühe gegeben hat. Aber Frau Eselbein hat neulich erzählt, dass man auch nach der Probezeit noch jederzeit fliegen kann. Manu hat also noch beste Chancen.
Und Sofie? Die hängt mit ihrer Nase entweder vor dem Spiegel oder in einer Modezeitschrift und spricht kaum ein Wort. Geniale Zimmernachbarinnen, was?
Ein Gong ertönt und erinnert daran, dass die Freistunde zu Ende ist. Carlotta beendet schnell ihren Brief.
Mist, ich muss aufhören. Wir haben jetzt Sport beim Spargel, stöhn … Bis bald, schreib zurück! Und schick mir neue Gummibärchen!!
Hdgdl, Carlotta
Hastig faltet sie den Brief zusammen und stopft ihn in den Umschlag. Auf dem Weg zur Sporthalle kann sie ihn gleich in den Postkasten werfen, der neben dem Sekretariat hängt und einmal täglich geleert wird. Wenn sie sich beeilt, wird der Brief heute noch mitgenommen. Dann hat Katie ihn morgen schon.
Als es zum zweiten Mal gongt, schnappt sie sich ihre Sporttasche und flitzt hinter den anderen her.
Alles an Herrn Dunker, ihrem Sportlehrer, ist lang und dünn, weshalb die Schüler ihn liebevoll „den Spargel“ nennen. Eine viel zu große weinrote Trainingshose umflattert seine Beine, während er wie ein Storch vor der Fünften hin und her stolziert und den mehr oder weniger aufmerksam zuhörenden Mädchen und Jungen die richtige Hochsprungtechnik zu vermitteln versucht.
Wegen des sommerlichen Wetters findet der Unterricht im Freien auf der großen Sportanlage statt. Vom See weht ein leichter Wind herüber. Carlotta blinzelt in die Sonne. Ihrem Lehrer hört sie gar nicht richtig zu.
„Ob der seine T-Shirts in der Kinderabteilung kauft?“, raunt Manu ihr zu.
Carlotta kichert und flüstert zurück: „Bestimmt! Nur die Schuhe kriegt er da nicht.“ Sie zeigt auf die Sportschuhe des Spargels, die gewisse Ähnlichkeit mit zu lang geratenen Tretbooten haben. „Der hat mindestens Schuhgröße 48!“
„Carlotta Prinz“, sagt Herr Dunker. Er bleibt vor ihr stehen, wippt mit seinen Tretbooten auf und ab und lächelt. „Wärst du so freundlich?“
„Äh, ich?“, stammelt Carlotta und wird rot. „Was denn?“
Nadine und Simone kichern. Sofie versteckt sich hinter Manus breiten Schultern und versucht sich unsichtbar zu machen.
Herr Dunker zeigt auf die Hochsprunganlage. „Würdest du uns bitte zeigen, wie ein korrekt ausgeführter Fosbury-Flop auszusehen hat?“
Carlotta hat das Gefühl, als würde ihr Kopf in einem Backofen stecken. Ihr Gesicht brennt, und sie ist ziemlich sicher, dass ihre Wangen dem Farbton überreifer Tomaten sehr nahe kommen. Sie schluckt. „Äh, muss ich unbedingt? Ich mein, ich … hab gerade nicht aufgepasst.“
„Carlotta, wir machen seit drei Sportstunden nichts anderes als Hochsprung“, sagt Herr Dunker und schüttelt traurig den Kopf.
„Ja, ich weiß“, gibt Carlotta zu. „Ich mein ja auch nur, es ist
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